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13.04.2015 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Anspruch des gleichgeschlechtlichen Partners eines leiblichen Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld?

Wie aus § 2 Abs 1 KBGG abzuleiten ist, besteht für einen Anspruch des bloßen Lebensgefährten des leiblichen Elternteils (Stiefelternteils) im KBGG keine Grundlage, dies unabhängig davon, ob es sich um heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Partner handelt; auch ein gleichgeschlechtlicher Partner eines leiblichen Elternteils kann – wenn die übrigen Voraussetzungen iSd § 184 ABGB vorliegen – als Pflegeelternteil in den Genuss von Kinderbetreuungsgeld kommen; liegt kein gemeinsamer Haushalt zwischen Kind und Pflegeelternteil vor und haben der leibliche Elternteil und der Pflegeelternteil nicht im Rahmen der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes eine Vereinbarung über den abwechselnden Bezug des Kinderbetreuungsgelds getroffen, ist weiterhin daran festzuhalten, dass der Wechsel der Betreuung des Kindes vom leiblichen Elternteil zum außenstehenden Pflegeelternteil keinen „Wechsel zwischen den Elternteilen“ iSd § 5 Abs 2 bis 4 KBGG darstellt, der die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30.


Schlagworte: Kinderbetreuungsgeld, gleichgeschlechtlicher Partner, Pflegeelternteil, Wechsel, Anspruchsdauer
Gesetze:

 

§ 5 KBGG, § 2 KBGG, § 184 ABGB nF, § 186 aF

 

GZ 10 ObS 68/14v [1], 21.10.2014

 

OGH: Gem § 2 Abs 1 KBGG hat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern die in § 2 Abs 1 Z 1 bis 5 aufgezählten - hier nicht strittigen - Voraussetzungen gegeben sind.

 

Aus den Materialien zum KBGG ergibt sich, dass das Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung ausgestaltet wird und nun unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit gebührt. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich die Eltern, die für ihr Kind Familienbeihilfe beziehen. Als Kinder gelten auch Adoptiv- und Pflegekinder. Als Eltern gelten auch Adoptiv- und Pflegeeltern. „Pflegeeltern sind Personen iSd § 186 ABGB (BGBl I Nr 135/2000).“

 

Durch das Kinderbetreuungsgeld soll die Betreuung des Kindes durch die Eltern und die Förderung der Einbindung der Väter in die Betreuung des Kindes sichergestellt und beiden Elternteilen die Wahrnehmung ihrer elterlichen Pflichten erleichtert werden. Die Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgelds richtet sich danach, ob der Leistungsbezug zwischen den Eltern geteilt wird oder nicht. Nach § 5 Abs 3 KBGG kann der Bezug von Kinderbetreuungsgeld abwechselnd durch beide Elternteile erfolgen, wobei ein zweimaliger Wechsel pro Kind zulässig ist. Das Kinderbetreuungsgeld wird nach § 5 Abs 2 KBGG bis zum 30. Lebensmonat des betreffenden Kindes bzw bei einer Teilung des Leistungsbezugs entsprechend der Dauer des Leistungsbezugs des anderen Elternteiles bis maximal zum 36. Lebensmonat gewährt. Der gesetzliche Höchstanspruch kann also nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn es zu einer partnerschaftlichen Teilung der Kinderbetreuung kommt und damit dem familienrechtlichen Grundsatz der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes Rechnung getragen wird. Dem im Rahmen des § 5 Abs 3 KBGG möglichen abwechselnden Bezug durch beide Elternteile liegt - sofern der Anspruch des beziehenden Elternteils nicht bereits voll ausgeschöpft ist - eine Vereinbarung beider Elternteile zu Grunde. Sie enthält den zeitlich befristeten Verzicht des beziehenden Elternteils zu Gunsten des anderen Elternteils.

 

Beim Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld handelt es sich demnach um einen von der Betreuung eines Kindes im gemeinsamen Haushalt abhängigen einheitlichen Anspruch, den die Eltern wahlweise ausüben können, und nicht um getrennte Ansprüche des einen und des anderen Elternteils.

 

Zu beurteilen ist, ob der Wechsel der Betreuung des Kindes durch die leibliche Mutter zur Klägerin, zu einem „Wechsel zwischen den Elternteilen“ iSd § 5 Abs 2 bis 4 KBGG führt.

 

Dem Standpunkt der Klägerin, sie sei auf Grund der vorliegenden Gegebenheiten schon kraft ihrer Eigenschaft als „Co-Mutter“ der biologischen Mutter gleichzuhalten, ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft weiterhin nicht das Modell leiblicher Eltern erblickt, was sich unmissverständlich aus § 8 Abs 4 EPG idF des Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes (AdRÄG) 2013 ergibt, nach welcher Bestimmung die eingetragenen Partner nicht gemeinsam ein Kind an Kindes statt annehmen dürfen.

 

Wie aus § 2 Abs 1 KBGG abzuleiten ist, besteht für einen Anspruch des bloßen Lebensgefährten des leiblichen Elternteils (Stiefelternteils) im KBGG keine Grundlage, dies unabhängig davon, ob es sich um heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Partner handelt.

 

Die Klägerin beruft sich aber auch auf ihre Stellung als „Pflegeelternteil“ iSd § 184 ABGB.

 

Nach § 184 ABGB idF BGBl I 2013/15 (entspricht § 186 idF BGBl I 2000/135) sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine nach dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Nach einhelliger Ansicht knüpft der Begriff der Pflegeeltern somit an zwei Merkmale an: Die tatsächliche - ganze oder teilweise - Besorgung der Pflege und Erziehung sowie das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung oder die Absicht, eine solche herzustellen. Beide Begriffselemente setzen eine weitgehende Eingliederung des Kindes in den Haushalt und Lebensablauf der Pflegeeltern sowie zumindest die Absicht voraus, ein dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern vergleichbare emotionale Bindung aufzubauen. Auf welcher Rechtsgrundlage das Pflegeverhältnis beruht, ist unmaßgeblich. Die Pflegeelternschaft nach § 186 ABGB (nunmehr § 184 ABGB) ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gegeben sind.

 

Auch Stiefelternteile, also mit einem leiblichen Elternteil (verheiratet oder nicht) in Lebensgemeinschaft lebende Personen fallen - im Gegensatz zum bisherigen Recht - bei Erfüllung der Voraussetzungen unter den Begriff Pflegeeltern. Bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB (nunmehr § 184 ABGB) entsprechenden emotionalen Bindung können sie als Pflegeeltern gelten. Damit ist die Grundlage einer gewissen rechtlichen Anerkennung der sog „Patchworkfamilien“ gelegt. Wie der OGH zu 8 Ob 62/12v ausgesprochen hat, kann auch der Lebensgefährtin der leiblichen Mutter bei Erfüllung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen iSd § 184 ABGB (materiell-rechtlich) die Stellung als Pflegeelternteil zukommen.

 

Demgegenüber vertritt die beklagte Partei den Standpunkt, es bestehe im KBGG ein eigener, mit dem Pflegeelternbegriff des § 184 ABGB nicht übereinstimmender Pflegeelternbegriff, der davon ausgehe, dass die Pflegeeltern bisher weder mit dem Kind noch mit einem oder beiden leiblichen Elternteilen im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Diese Ansicht steht aber nicht in Einklang mit den Gesetzesmaterialien zu § 2 KBGG, aus denen sich deutlich ergibt, dass Pflegeeltern Personen iSd § 186 ABGB (BGBl I Nr 135/2000) - nunmehr iSd § 184 ABGB - sind. Dies kann nicht anders verstanden werden, als dass auch dem in § 5 KBGG genannten Begriff der Pflegeeltern jenes Verständnis beizumessen ist, das das ABGB diesem Begriff zuordnet. Dieser Begriff umfasst - wie bereits dargelegt - bei Erfüllung der Voraussetzungen nunmehr auch die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Personen, mögen diese mit dem leiblichen Elternteil verheiratet oder verpartnert sein oder nicht.

 

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin mit der leiblichen Mutter des Kindes und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, dass sie gemeinsam mit der leiblichen Mutter das Kind pflegt und erzieht und sich zwischen der Klägerin und dem Kind eine Beziehung aufgebaut hat, die einem Eltern-Kind Verhältnis nahekommt. Nach diesen faktischen Verhältnissen kann an der rechtlichen Stellung der Klägerin als „Pflegeelternteil“ iSd § 184 ABGB nicht gezweifelt werden. Wie die Klägerin weiters vorgebracht hat, haben sie und die leibliche Mutter des Kindes im Rahmen der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes eine Vereinbarung über den abwechselnden Bezug des Kinderbetreuungsgelds getroffen. Unter diesen Voraussetzungen führt der Wechsel der Betreuung des Kindes durch die leibliche Mutter zur Klägerin zu einem Wechsel zwischen den Elternteilen iSd § 5 Abs 2 bis 4 KBGG, der geeignet ist, die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonats des Kindes hinaus zu verlängern.

 

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der zu § 5 KBGG ergangenen Judikatur. Den bisherigen Entscheidungen lag nämlich jeweils der Sachverhalt zu Grunde, dass das Kind zunächst im Haushalt der leiblichen Mutter von dieser betreut wurde, diese das Kinderbetreuungsgeld bezog und sich das Kind anschließend im Haushalt der Pflegeeltern (des Pflegeelternteils bzw der Krisenpflegemutter) in Pflege und Erziehung befand. Es bestand somit nicht nur eine zeitliche Abfolge, sondern es fand auch ein Wechsel in dem Sinn statt, dass die Betreuung des Kindes vorerst im Haushalt der leiblichen Eltern (bzw des leiblichen Elternteils) erfolgte und dann im Haushalt außenstehender Pflegeeltern (bzw des Pflegeelternteils), wobei die Pflegeeltern (bzw die Pflegemutter) in keinem partnerschaftlichen Verhältnis zur Mutter standen. Ein Wechsel iSd § 5 KBGG sollte aber jeweils nur zwischen Elternteilen möglich sei, die miteinander durch das Band der leiblichen Elternschaft oder durch das Band der Pflegeelternschaft oder durch das Band der Adoptivelternschaft verbunden seien. Der bloße Wechsel zwischen leiblicher Mutter und außenstehendem Pflegeelternteil führt daher noch zu keiner Verlängerung der Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgelds (§ 5 Abs 2 KBGG) bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes.

 

Der vorliegende Fall ist aber anders gelagert und bietet keinen Anlass, von dieser Rsp abzugehen. Liegt also kein gemeinsamer Haushalt zwischen Kind und Pflegeelternteil vor und haben der leibliche Elternteil und der Pflegeelternteil nicht im Rahmen der partnerschaftlichen Erziehung des Kindes eine Vereinbarung über den abwechselnden Bezug des Kinderbetreuungsgelds getroffen, ist weiterhin daran festzuhalten, dass der Wechsel der Betreuung des Kindes vom leiblichen Elternteil zum außenstehenden Pflegeelternteil keinen „Wechsel zwischen den Elternteilen“ iSd § 5 Abs 2 bis 4 KBGG darstellt, der die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonats des Kindes hinaus verlängern könnte.