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04.05.2015 Strafrecht

OGH: VbVG – bedingte Nachsicht der Verbandsgeldbuße iZm gerichtlich strafbarer Finanzvergehen?

In Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen zu Grunde liegen, ist eine gänzlich bedingte Nachsicht der Geldbuße nicht möglich, weil § 6 VbVG eine solche nur für nach Tagessätzen bemessene Geldbußen vorsieht; die Grenzen der Zulässigkeit teilweiser bedingter Nachsicht sind nach § 7 VbVG zu beurteilen; mit Blick auf diese Norm kommt die subsidiäre Anwendung (§ 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG) des § 26 Abs 1 FinStrG insoweit nicht in Betracht


Schlagworte: Verbandsverantwortlichkeit, Finanzvergehen, bedingte Nachsicht der Geldbuße
Gesetze:

 

§ 7 VBVG, § 6 VBVG, § 26 FinStrG, § 28a FinStrG

 

GZ 13 Os 56/14f, 06.11.2014

 

OGH: Die Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass das Erstgericht bei der Beurteilung des Umfangs der Zulässigkeit bedingter Strafnachsicht zum Nachteil des belangten Verbands zu Unrecht von der in § 26 Abs 1 dritter Satz FinStrG enthaltenen Begrenzung ausgegangen ist:

 

Gem § 1 Abs 1 VbVG ist das VbVG auf Finanzvergehen nur insoweit anzuwenden, als es im FinStrG vorgesehen ist. Mit Blick auf diese Verweisungsnorm ordnet § 28a Abs 1 erster Satz FinStrG für das gerichtliche Finanzstrafrecht die Geltung des ersten und des zweiten Abschnitts (§§ 1 bis 12) des VbVG mit der Maßgabe an, dass die Verbandsgeldbuße (abgesehen von hier nicht relevanten Sonderregelungen) „nach der für das Finanzvergehen, für das der Verband verantwortlich ist, angedrohten Geldstrafe“ zu bemessen ist. Damit wird ausgedrückt, dass die Buße nicht - wie in § 4 VbVG vorgesehen - nach dem Tagessatzsystem, sondern dem Sanktionensystem des FinStrG folgend zu bestimmen ist.

 

Hieraus folgt zunächst, dass in Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen zu Grunde liegen, eine gänzlich bedingte Nachsicht der Geldbuße nicht möglich ist, weil § 6 VbVG eine solche nur für nach Tagessätzen bemessene Geldbußen vorsieht.

 

Für die in der Beschwerde primär vertretene, auf eine vereinzelte Lehrmeinung (E. Steininger VbVG § 6 Rz 15) gestützte Variante, eine nach dem FinStrG verhängte Geldsummenbuße sei fiktiv auf eine nach dem Tagessatzsystem ausgemessene Buße umzurechnen und sei anhand dessen die allfällige Überschreitung der in § 6 Abs 1 erster Satz VbVG normierten Grenze (70 Tagessätze) und solcherart die Möglichkeit der Gewährung gänzlicher bedingter Strafnachsicht zu prüfen, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte.

 

Zutreffend ist hingegen der eventualiter vorgebrachte Einwand, die Grenzen der Zulässigkeit teilweiser bedingter Nachsicht seien (nicht nach § 26 Abs 1 FinStrG, sondern) nach § 7 VbVG zu beurteilen. Die Bestimmungen des ersten Abschnitts (§§ 1 bis 52) des FinStrG sind nämlich nach § 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG neben jenen des ersten und des zweiten Abschnitts des VbVG (§ 28a Abs 1 erster Satz FinStrG) bloß „im Übrigen“ anzuwenden, womit das Gesetz eine subsidiäre Geltung der bezeichneten Normen (§§ 1 bis 52 FinStrG) anordnet. Da aber § 7 VbVG die Gewährung teilbedingter Nachsicht der Verbandsgeldbuße - ohne Einschränkung auf das Tagessatzsystem - ausdrücklich regelt, kommt die subsidiäre Anwendung des § 26 Abs 1 FinStrG in diesem Bereich gerade nicht in Betracht.