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11.05.2015 Zivilrecht

OGH: Veröffentlichung eines Lichtbildes des minderjährigen Klägers, das ihn im Alter von fünf Jahren erkennbar als Krebspatienten zeigte (wobei das Foto 2009 mit Zustimmung seiner Eltern aufgenommen und in der Werbung für den Krebshilfeverein verwendet worden war)

Die Veröffentlichung eines Lichtbilds, das eine erkennbar schwer kranke Person zeigt, ist in aller Regel nur mit deren Zustimmung zulässig


Schlagworte: Bildnisschutz, Veröffentlichung eines Lichtbildes, an Krebs erkranktes Kind
Gesetze:

 

§ 16 ABGB, § 78 UrhG, Art 8 EMRK

 

GZ 4 Ob 261/14g [1], 17.02.2015

 

OGH: Die Veröffentlichung des Lichtbilds einer erkennbar schwer kranken Person berührt deren höchstpersönlichen Lebensbereich, zu dem jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie gehören. Dieser auch als Intimsphäre bezeichnete Bereich ist sogar bei Politikern und anderen allgemein bekannten Personen zu respektieren, er ist grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen. Umso mehr muss das bei Personen gelten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Die Veröffentlichung eines Lichtbilds, das eine erkennbar schwer kranke Person zeigt, ist daher in aller Regel nur mit deren Zustimmung zulässig.

 

Im vorliegenden Fall haben die Eltern zwar der ursprünglichen - zeitlich beschränkten - Veröffentlichung aus nachvollziehbaren Motiven zugestimmt. Ob ihre Zustimmung wirksam war, ist hier nicht zu beurteilen. Jedenfalls deckt sie aber nicht die neuerliche Veröffentlichung des Lichtbilds in einem ganz anderen Zusammenhang. Mit der uU zulässigen Erörterung des „Outings“ einer bekannten Person ist die hier zu beurteilende Situation nicht zu vergleichen, da die ursprüngliche Veröffentlichung ausschließlich der Werbung für den Krebshilfeverein dienen sollte. Zudem waren seither fünf Jahre vergangen, sodass die Erinnerung daran längst verblasst war.

 

Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie in Wahrheit nur einen Teil jenes Plakats gezeigt habe, für dessen Gestaltung das Lichtbild verwendet worden war. Dieser Umstand ändert aber nichts an der schwerwiegenden Verletzung der Intimsphäre des Klägers. Weshalb aus der Entscheidung 4 Ob 20/88 Gegenteiliges abgeleitet werden sollte, ist nicht erkennbar. Zwar können danach Missdeutungen einer Bildnisveröffentlichung ausgeschlossen sein, wenn es sich um Lichtbilder von Personen handelt, die an allgemein zugänglichen Orten oder an Orten aktuellen Geschehens aufgenommen wurden, sofern ihre Abbildung vom Geschehen nicht zu trennen oder für dessen Darstellung erforderlich ist; dies aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Veröffentlichung der Lichtbilder der Darstellung dieser Orte oder des aktuellen Geschehens dient. Hier ist aber keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Zum einen geht es nicht um die „Missdeutung“ eines Lichtbilds, sondern schlicht um einen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Zum anderen hat die Beklagte, wie schon das Erstgericht zutreffend festgehalten hat, gerade nicht über die konkrete Plakataktion berichtet, sondern das Lichtbild ausschließlich zur Erregung von Aufmerksamkeit für den gegen die Politikerin gerichteten Artikel verwendet. Zudem hätte auch bei einem Bericht über die Plakataktion eine Interessenabwägung vorgenommen werden müssen, die im Anlassfall - zumal die Beklagte das Gesicht mit Bildbearbeitungssoftware leicht hätte unkenntlich machen können - zugunsten der Privatsphäre des Klägers ausgefallen wäre.