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29.06.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Zulässigkeit des Rechtswegs für Kosten im Vergaberecht

Vor Zuschlagserteilung entstandenen Kosten für die Teilnahme am noch nicht beendeten Vergabeverfahren wie zB ein Nachprüfungsantrag können als vergaberechtlicher Schadenersatz eingeklagt werden; nach dem Zuschlag aufgelaufenen Kosten wie zB für die Teilnahme am Feststellungsverfahren sind vorprozessuale Kosten


Schlagworte: Vergaberecht, übergangener Bieter, Schadenersatz, Kosten, Zulässigkeit des Rechtswegs
Gesetze:

 

§§ 336 ff BVergG 2006, § 337 BVergG 2006, § 340 BVergG 2006, §§ 40 ff ZPO

 

GZ 3 Ob 203/14w [1], 21.04.2015

 

OGH: § 337 BVergG sieht ua vor, dass ein übergangener Bewerber oder Bieter einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren hat. Die Sanktionsvorschriften des BVergG gehen als leges speciales den anderen Rechtsvorschriften vor, soweit das Sonderzivilrecht des BVergG zusätzliche materielle und formelle Anspruchsvoraussetzungen normiert, insbesondere das Erfordernis des vorherigen Feststellungsbescheids nach § 341 Abs 2 BVergG. Der Anspruch auf Ersatz der Teilnahmekosten ist im BVergG somit abschließend geregelt.

 

Die Kosten eines auf Nichtigerklärung einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung gerichteten (Nachprüfungs-) Verfahrens dienen typischerweise dazu, die Ausschreibung zu beseitigen und die ausschreibende Stelle zu einer gesetzmäßigen (neuen) Ausschreibung zu verhalten. Sie verfolgen daher evident einen anderen Zweck als die Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens. Ihrer Geltendmachung als materiell-rechtliche Schadenersatzforderung steht damit nicht entgegen, dass das Ergebnis dieser Maßnahme gegebenenfalls auch eine spätere Prozessführung fördern kann.

 

Wegen der im § 341 Abs 2 BVergG normierten Prozessvoraussetzung für eine Schadenersatzklage gem §§ 338 und 339 (bescheidmäßige Feststellung der Rechtswidrigkeit des Auftraggeberverhaltens) handelt es sich bei Vertretungskosten im Feststellungsverfahren nach Zuschlagserteilung um Kosten zur (zwingenden) Vorbereitung der nachfolgenden Prozessführung, für die der ordentliche Rechtsweg nicht offen steht, weshalb eine Klageführung unzulässig ist.

 

Wesentlich sind deshalb der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung und die Zuordnung der Kosten entweder zur Kategorie „Teilnahme am (noch nicht beendeten) Vergabeverfahren“ oder zur Kategorie „Vorbereitung der Einklagung des frustrierten Beteiligungsaufwands“, wofür der Gegenstand und der rechtlich gedeckte Zweck der getroffenen Maßnahmen entscheidend ist. Die davor entstandenen Kosten, soweit sie für Aktivitäten angefallen sind, die die Teilnahme am noch nicht beendeten Vergabeverfahren (also an der Ausschreibung) zum Gegenstand haben, können als vergaberechtlicher Schadenersatz eingeklagt werden; dazu zählen auch jene Maßnahmen, die die Teilnahme am Vergabeverfahren erst ermöglichen sollen. Die nach dem Zuschlag aufgelaufenen Kosten, zu denen jene für die Teilnahme am Feststellungsverfahren (einschließlich der Anrufung eines Gerichtshofs des öffentlichen Rechts) zählen, sind hingegen vorprozessuale Kosten.