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28.09.2015 Zivilrecht

OGH: Gesonderte Bemessung von Schmerzengeld wegen (bloßer) Trauer und Schmerzengeld wegen eines Schockschadens?

Die Abgrenzung zwischen „bloßer“ und „krankheitswerter“ Trauer ist häufig problematisch; es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die eine Form mit der Zeit in die andere entwickelt; die von den Klägern angestrebte gesonderte Bemessung von Schmerzengeld für bloße Trauer einerseits und für Trauer mit Krankheitswert andererseits ist damit unvereinbar; es besteht daher kein Anlass, vom Grundsatz der Globalbemessung abzugehen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Schmerzengeld, Trauer, Schockschaden, Trauer mit Krankheitswert, Globalbemessung
Gesetze:

 

§ 1325 ABGB, §§ 1295 ff ABGB

 

GZ 2 Ob 143/15s [1], 09.09.2015

 

OGH: Der Senat hat bereits in 2 Ob 141/04f klargestellt, dass (auch) Schmerzengeld wegen seelischer Schmerzen global zu bemessen ist. Dabei führte er aus, dass sich das Erleiden einer eigenen Gesundheitsschädigung regelmäßig „erhöhend“ auswirke, ein „gesonderter Zuspruch“ habe dafür - trotz des Hinzutretens eines weiteren Zurechnungsgrundes - nicht zu erfolgen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass der Begriff „seelische Schmerzen“ dabei sowohl solche mit als auch solche ohne Krankheitswert erfassen sollte. Denn nur bei diesem Verständnis kann von einer „globalen“ Bemessung gesprochen werden, bei der sich eine zur „bloßen“ Trauer hinzutretende Gesundheitsbeeinträchtigung (nur) „erhöhend“ auswirkt.

 

Am Grundsatz der Globalbemessung hat der Senat in 2 Ob 135/07b und 2 Ob 99/08k ausdrücklich festgehalten. Diese Entscheidungen betrafen, anders als 2 Ob 141/04f, psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert. In 2 Ob 135/07b wiederholte der Senat die Formulierung, dass sich Gesundheitsbeeinträchtigungen „erhöhend“ auswirkten; auf dieser Grundlage nahm er, auch unter Bedachtnahme auf im Verfahren festgestellte Schmerzperioden, eine Globalbemessung des Schmerzengeldes vor. Konkret wurden der Verlassenschaft nach dem geschädigten Angehörigen - der aufgrund jener Depression, die durch den Tod seiner Mutter ausgelöst worden war, Selbstmord begangen hatte - 35.000 EUR zugesprochen. In 2 Ob 99/08k billigte der Senat eine von den Vorinstanzen vorgenommene Globalbemessung. In keiner der beiden Entscheidungen wurde ein gesondertes Schmerzengeld für „bloße“ Trauer ausgemittelt oder zugesprochen, vielmehr ergab sich die Höhe des Schmerzengeldes jeweils aus einer - an die Feststellung von Schmerzperioden anknüpfenden, aber nicht darauf beschränkten - Gesamtbetrachtung.

 

Den dargestellten Entscheidungen liegt der Gedanke zugrunde, dass die Abgrenzung zwischen „bloßer“ und „krankheitswerter“ Trauer häufig problematisch ist; es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die eine Form mit der Zeit in die andere entwickelt. Die von den Klägern angestrebte gesonderte Bemessung von Schmerzengeld für bloße Trauer einerseits und für Trauer mit Krankheitswert andererseits ist damit unvereinbar. Es besteht daher kein Anlass, vom Grundsatz der Globalbemessung abzugehen.

 

Ausgehend von einer Globalbemessung fallen die Zusprüche des Berufungsgerichts nicht aus dem Rahmen der bisherigen Rsp. Der Erstkläger erhält damit insgesamt 30.000 EUR, die Zweitklägerin 25.000 EUR. Diese Beträge liegen zwar unter dem Zuspruch in 2 Ob 135/07b (35.000 EUR), aber über jenem in 2 Ob 99/08k (20.000 EUR). Im erstgenannten Fall war die Depression des Angehörigen allerdings sowohl nach den festgestellten Schmerzperioden als auch in Anbetracht ihrer Folgen (Selbstmord) weitaus massiver als hier, im zweitgenannten wog sie zumindest nach den festgestellten Schmerzperioden weniger schwer.