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13.10.2015 Zivilrecht

OGH: Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB (iZm Fußgängerbrücke und faktischer Geländerhöhe von ca 60 cm)

Das versuchte Greifen mit der Hand nach einem an sich ohne Schneeauflage 1 m hohen Geländer durch den Kläger zum Zweck des Anlehnens stellt durchaus eine für einen Fußgänger typische und auch nicht widmungswidrige Handlung bzw Benutzung eines Geländers dar; mit einer derartigen Benützung musste die Beklagte rechnen; eine faktisch bloß 60 cm hohe Abgrenzung zum Abgrund entspricht nicht dem, was man allgemein als „Geländer“ bezeichnet


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Wegehalterhaftung, Fußgängerbrücke, Geländerhöhe
Gesetze:

 

§ 1319a ABGB

 

GZ 6 Ob 85/15s [1], 31.08.2015

 

OGH: Im Anwendungsbereich der - hier maßgeblichen - besonderen Verkehrssicherungspflicht des Wegehalters gem 1319a ABGB bleibt für die Annahme allgemeiner Verkehrssicherungspflichten kein Raum.

 

Das versuchte Greifen mit der Hand nach einem an sich ohne Schneeauflage 1 m hohen Geländer durch den Kläger zum Zweck des Anlehnens stellt entgegen der Ansicht der Beklagten durchaus eine für einen Fußgänger typische und auch nicht widmungswidrige Handlung bzw Benutzung eines Geländers dar; mit einer derartigen Benützung musste die Beklagte rechnen.

 

Ob der Beklagten leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen.

 

Die Erwägungen des Berufungsgerichts betreffend den Verschuldensgrad stellen keine krasse Fehlbeurteilung dar (vgl auch RIS-Justiz RS0030644 [T17], wo die Nichtanbringung eines Geländers an einer gemeindeeigenen Kläranlage als grob fahrlässig beurteilt wurde). Eine faktisch bloß 60 cm hohe Abgrenzung zum Abgrund entspricht nicht dem, was man allgemein als „Geländer“ bezeichnet.

 

Die Revisionswerberin stützt sich für ihren Standpunkt, es liege bei ihr keine grobe Fahrlässigkeit vor, auf die Entscheidung des OLG Innsbruck zu 4 R 208/14s: Dort habe der Wegehalter entlang einem Verkehrsweg zu einem angrenzenden, mehrere Meter tiefen Bachbett überhaupt keine Abzäunung und somit Absicherung vorgenommen. Es habe nur einen Betonsockel von maximal drei cm gegeben. Das OLG Innsbruck habe grobe Fahrlässigkeit des Wegehalters verneint.

 

Der zitierte Fall ist mit dem vorliegenden insofern nicht vergleichbar, als dort die betreffende Verkehrsfläche als Parkplatz verwendet wurde und keine auch dem Fußgängerverkehr gewidmete Brücke war, für den Parkplatz war eine entsprechende Absicherung - Geländer - auch nicht behördlich vorgeschrieben.