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13.10.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: § 341 Abs 2 BVergG 2006 – zur Zulässigkeit des Rechtswegs iZm Vergaberechtswidrigkeiten

In jenen Fällen, in denen das Vergaberecht für einen potentiellen Kläger keinen Rechtsschutz zur Verfügung stellt, ist § 341 Abs 2 BVergG 2006 teleologisch zu reduzieren; ist die Klägerin oder die Bietergemeinschaft, an der die Klägerin beteiligt war, nach rechtskräftiger Ausscheidung ihres Anbots nicht mehr Beteiligte des Vergabeverfahrens und daher gem § 131 BVergG 2006 weder von der Zuschlagserteilung zu verständigen, noch legitimiert, gegen den Zuschlag Rechtsmittel zu ergreifen oder sonst Rechtsbehelfe des Vergaberechts zu nutzen, wäre ihr andernfalls jegliche Möglichkeit genommen, Schadenersatz zu erlangen


Schlagworte: Vergaberecht, Wettbewerbsrecht, Zulässigkeit des Rechtswegs, Vergaberechtswidrigkeiten, unlautere Geschäftspraktiken, Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch
Gesetze:

 

§ 341 BVergG 2006, § 1 UWG

 

GZ 4 Ob 247/14y [1], 11.08.2015

 

Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass für die Geltendmachung der von der Klägerin verfolgten Unterlassungsansprüche die Feststellung der Vergabekontrollbehörde gem § 341 Abs 2 BVergG 2006 Zulässigkeitsvoraussetzung ist.

 

OGH: Der erkennende Senat hielt bereits zu 4 Ob 100/11a - Westbahn fest, dass sich die Unzulässigkeit der Unterlassungsklage (Unzulässigkeit des Rechtswegs im Hinblick auf § 341 Abs 2 BVergG 2006) über die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ hinaus auf alle Klagen erstreckt, deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbewerbers ist, dies unabhängig von der rechtlichen Begründung des konkret geltend gemachten Anspruchs. Dazu gehören insbesondere die Wahl des Vergabeverfahrens, die Auswahl der einbezogenen Unternehmen und die Erteilung des Zuschlags. Anders zu beurteilen wäre nur ein anlässlich eines Vergabeverfahrens gesetztes Verhalten, das aus ganz anderen Gründen - wegen einer unzulässigen Übernahme fremder Leistungen - gegen das Lauterkeitsrecht verstößt. Ein solcher anderer Lauterkeitsverstoß ist hier nach dem Klagevorbringen aber nicht zu beurteilen, vielmehr macht die Klägerin (va) geltend, die Zweitbeklagte habe durch das Ausscheiden des Angebots der Klägerin deren vergaberechtlichen Rechtsschutz unzulässig ausgehebelt, dadurch den Wettbewerb der Erstbeklagten gefördert und diese habe sich durch Legung ihres ebenfalls auszuscheidenden Anbots rechtswidrig am Vergabeverfahren beteiligt bzw sich in diesem Verfahren rechtswidrig verhalten. Das Rekursgericht ging daher zutreffend davon aus, dass die von der Klägerin erhobenen Ansprüche unter dem Blickwinkel der Zulässigkeitsbeschränkung des § 341 Abs 2 BVergG 2006 zu prüfen sind.

 

Das Erfordernis eines Feststellungsbescheids iSd § 341 Abs 2 BVergG 2006 für die gerichtliche Verfolgung von Lauterkeitsverstößen ist aber auf jene Beteiligten zu beschränken, die zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind. In jenen Fällen, in denen das Vergaberecht für einen potentiellen Kläger keinen Rechtsschutz zur Verfügung stellt, ist § 341 Abs 2 BVergG 2006 teleologisch zu reduzieren. Ist die Klägerin oder die Bietergemeinschaft, an der die Klägerin beteiligt war, nach rechtskräftiger Ausscheidung ihres Anbots nicht mehr Beteiligte des Vergabeverfahrens und daher gem § 131 BVergG 2006 weder von der Zuschlagserteilung zu verständigen, noch legitimiert, gegen den Zuschlag Rechtsmittel zu ergreifen oder sonst Rechtsbehelfe des Vergaberechts zu nutzen, wäre ihr andernfalls jegliche Möglichkeit genommen, Schadenersatz zu erlangen; dies entgegen der unionsrechtlichen Vorgabe des Art 2 Abs 1 lit c der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl Nr L 395 vom 30. 12. 1989, idF der Richtlinie 92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ABl Nr L 209 vom 24. 7. 1992 und der Richtlinie 2007/66/EG zur Änderung der Richtlinie 89/665/EWG und 92/13/EWG im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl Nr L 335 vom 20. 12. 2007. Dem steht auch nicht die von der Zweitbeklagten ins Treffen geführte Möglichkeit entgegen, die Ausscheidungsentscheidung zu bekämpfen. Die Rechtmäßigkeit der Ausscheidungsentscheidung hat nämlich nicht notwendigerweise damit zu tun, dass sich verbliebene Bieter (im vorliegenden Fall etwa die Erstbeklagte) im Vergabeverfahren rechtswidrig verhalten und damit unlauter geschäftliche Vorteile, etwa die Zuschlagserteilung erreichen und damit gegenüber der Klägerin einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb erlangen. An der Rsp des Senats zur teleologischen Reduktion der Zulässigkeitsbeschränkung des § 341 Abs 2 BVergG 2006 ist daher festzuhalten.

 

Der Klägerin ist es hier nach rechtskräftiger Ausscheidung aus dem Vergabeverfahren nicht möglich, ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren anzustrengen und eine inhaltliche Prüfung allfälliger Rechtswidrigkeiten des Vergabeverfahrens zu erreichen (fehlende Antragslegitimation, VwGH 2009/04/0302). § 341 Abs 2 BVergG 2006 soll nach dem Willen des Gesetzgebers divergierende Entscheidungen der Vergabekontrollbehörden und der Gerichte vermeiden bzw die Gerichte entlasten, weswegen das Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde beurteilt werden soll. Mangels Antragslegitimation der Klägerin (der Bietergemeinschaft, der die Klägerin angehörte) im vergaberechtlichen Verfahren ist aber nicht mehr zu befürchten, dass es zu divergierenden Entscheidungen kommt.

 

Die Vorinstanzen sind daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin der Rechtsweg gar nicht offenstünde.