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19.10.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Mindeststammkapital für GmbH bald wieder 10.000 EUR?

Der OGH stellt gem Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den VfGH den Antrag, a) in § 6 Abs 1 zweiter Satz GmbHG idF AbgÄG 2014 die Wortfolge „muss mindestens 35.000 Euro erreichen und“, b) § 10 Abs 1 zweiter Satz und § 54 Abs 3 erster Satz GmbHG jeweils idF AbgÄG 2014, c) § 10b GmbHG idF AbgÄG 2014 und d) § 127 Abs 13 bis Abs 16 GmbHG idF AbgÄG 2014 als verfassungswidrig aufzuheben


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, GmbH, Mindeststammkapital
Gesetze:

 

§ 6 GmbHG, § 10 GmbHG, § 54 GmbHG, § 10b GmbHG, § 127 GmbHG

 

GZ 6 Ob 147/15h [1], 31.08.2015

 

OGH: Es ist nicht zu sehen, dass sich bereits acht Monate nach Inkrafttreten des GesRÄG 2013, nämlich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AbgÄG 2014 am 1. 3. 2014, die Verhältnisse so grundlegend geändert hätten, dass nunmehr wieder entgegen den dargelegten Erwägungen des Gesetzgebers des GesRÄG 2013 ein höheres Stammkapital von Nöten wäre.

 

Sowohl unter den Aspekten des Gläubigerschutzes als auch der „Seriositätsschwelle“ bei der Gründung scheint eine Regelung, die nach den klaren statistischen Werten erst eine Erhöhung der Mindeststammeinlage vorsieht, wenn die Schwelle der Unternehmensgründung lange überschritten und die Gefahr einer Unternehmensinsolvenz deutlich gesunken ist, nicht dem Sachlichkeitsgebot zu entsprechen.

 

Es lassen also sowohl der doppelte Schwenk des Gesetzgebers in der rechtspolitischen Bewertung als auch das im Ergebnis geschaffene System keine sachliche Begründung aus den Funktionen des Mindeststammkapitals erkennen.

 

Bereits der Gesetzgeber des GesRÄG 2013 hatte Bedenken, dass die Möglichkeit, Neugründungen von GmbHs mit einem Mindeststammkapital von 10.000 EUR zuzulassen und gleichzeitig aber für Altgesellschaften keine Möglichkeit, das Stammkapital (von mindestens 35.000 EUR) auf 10.000 EUR herabzusetzen, zuzulassen, verfassungswidrig sein könnte, weil es zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Alt- und Neugesellschaften käme. Deshalb entschloss sich der Gesetzgeber des GesRÄG 2013 dazu, in § 54 Abs 3 GmbHG den Betrag, auf den GmbHs, und zwar auch Altgesellschaften, die Kapitalherabsetzung durchführen können, auf 10.000 EUR abzusenken.

 

Durch das AbgÄG 2014 wurde das Mindeststammkapital, auf das das Stammkapital herabgesetzt werden kann, wieder auf 35.000 EUR erhöht. Dadurch entsteht aber im Endeffekt genau jene bedenkliche Ungleichbehandlung zwischen einerseits solchen GmbHs, die entweder zwischen 1. 7. 2013 und 28. 2. 2014 mit einem Stammkapital von 10.000 EUR gegründet wurden (und dieses Stammkapital bis 1. 3. 2024 beibehalten dürfen, vgl § 127 Abs 16 GmbHG idF des AbgÄG 2014) oder seit 1. 3. 2014 die Gründungsprivilegierung des § 10b GmbHG für zehn Jahre ab Eintragung in Anspruch nehmen können, und andererseits jenen Altgesellschaften, die zwischen 1. 3. 2004 und dem Inkrafttreten des GesRÄG 2013 (1. 7. 2013) zwingend mit mindestens 35.000 EUR Stammkapital gegründet werden mussten und jetzt - auch bis 1. 3. 2024 - aber keine Möglichkeit mehr haben, das Stammkapital auf 10.000 EUR herabzusetzen oder die Gründungsprivilegierung des § 10b GmbHG in Anspruch zu nehmen.

 

Dies kann auch nicht durch den Hinweis entkräftet werden, dass diese alten GmbHs ihr Mindeststammkapital ja nach der „Zwischenrechtslage“ hätten herabsetzen können, weil sich der Bedarf dazu auch nach dem 28. 2. 2014 ergeben kann.

 

Auch unter diesem Aspekt bestehen somit Bedenken, dass die geltende Rechtslage insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnte.

 

Angeregt wird, dass an Stelle der unter a) und b) des Spruchs genannten Gesetzesstellen wieder die davor geltenden Gesetzesstellen laut der Fassung des GesRÄG 2013, BGBl I 2013/109, in Geltung gesetzt werden, sodass die aufgrund des AbgÄG 2014, BGBl I 2014/13, jeweils mit „35.000“ (§ 6 Abs 1 zweiter Satz GmbHG; § 54 Abs 3 erster Satz GmbHG) bzw „17.500“ (§ 10 Abs 1 zweiter Satz GmbHG) ersetzten Beträge wieder „10.000“ (§ 6 Abs 1 zweiter Satz GmbHG; § 54 Abs 3 erster Satz GmbHG) bzw „5.000“ (§ 10 Abs 1 zweiter Satz GmbHG) lauten.

 

Die angezogenen Gesetzesbestimmungen § 6 Abs 1 und § 10 Abs 1 GmbHG idF des AbgÄG 2014 sind für den vorliegenden Fall präjudiziell. Würde die Rechtslage nach dem GesRÄG 2013 gelten, stünde der Eintragung der Eintragungswerberin mit einem Stammkapital von 10.000 EUR kein Hindernis entgegen.

 

Die ebenfalls zur Aufhebung beantragten Gesetzesstellen in § 54 Abs 3 GmbHG und § 127 GmbHG sowie der gesamte § 10b GmbHG jeweils idF des AbgÄG 2014 sind hier zwar nicht anzuwenden, stehen aber mit den anderen präjudiziellen Gesetzesstellen in einem untrennbaren Zusammenhang, sodass sie nach der Rsp des VfGH ebenfalls präjudiziell sind.