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09.11.2015 Zivilrecht

OGH: Zu den Fragen, ob eine Regievereinbarung eine Angemessenheitsprüfung zulässt, wen die Beweislast für die Unangemessenheit trifft und ob sie eine Verringerung des Entgeltanspruchs oder einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten zur Folge hat

Auch bei einer Regiepreisvereinbarung schuldet der Auftraggeber kein Entgelt für einen unsachlichen oder unzweckmäßigen Aufwand


Schlagworte: Werkvertrag, Regievereinbarung, Angemessenheitsprüfung, Beweislast
Gesetze:

 

§§ 1165 ff ABGB, § 1152 ABGB, § 1431 ABGB

 

GZ 8 Ob 96/15y [1], 29.09.2015

 

OGH: Wird zwischen den Parteien eines Werkvertrags eine Verrechnung der Leistungen nach Stundensätzen und eine Verrechnung der Spesen nach tatsächlichem Aufwand vereinbart, handelt es sich um einen Regiepreis. Derartige Vereinbarungen sind nach allgemeinem Vertragsrecht zulässig und kommen insbesondere dann in Betracht, wenn Art, Güte oder Umfang der Leistung im vorhinein nicht genau erfasst werden können. Es gehört zum Wesen einer Regievereinbarung, dass jeder Produktionsfaktor im Ausmaß des erforderlich gewordenen Einsatzes gesondert berechnet wird und das Risiko eines beträchtlichen Aufwands beim Besteller liegt.

 

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass eine Regievereinbarung, mit der ein bestimmtes Entgelt pro tatsächlich aufgewendeter Arbeitsstunde festgelegt wurde, einer nachträglichen Angemessenheitsprüfung hinsichtlich des Zeitaufwands nicht entgegensteht. Der Zeitaufwand liegt - anders als die bedungenen Stundensätze - außerhalb der Regievereinbarung.

 

Mangels genauer Bestimmung des Werklohns wird nach § 1152 ABGB grundsätzlich ein angemessenes Entgelt geschuldet. Es bedarf daher nicht der Hilfskonstruktion eines Schadenersatzanspruchs wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten des Werkunternehmers, um die Unangemessenheit verrechneter Leistungen geltend machen zu können, sondern es gebührt für unsachliche oder unzweckmäßige Leistungen von vornherein kein Entgelt. Nur der tatsächlich zum Erreichen des Ziels erforderliche Einsatz wird von der Regievereinbarung umfasst.

 

Mit seinem Einwand, er habe bereits durch das Begleichen der früheren Rechnungen eine Überzahlung in den Klagsbetrag übersteigender Höhe erbracht, erhebt der Beklagte erkennbar eine Leistungskondiktion wegen (teilweiser) Zahlung einer Nichtschuld.

 

Wer irrtümlich in der Absicht, eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu erfüllen, eine Leistung erbracht hat, auf die der Empfänger in Wahrheit keinen Anspruch hatte, kann sie nach § 1431 ABGB zurückfordern. Der zugrunde liegende Irrtum kann ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum sein und unterliegt nicht den besonderen Voraussetzungen des § 871 ABGB. Auch Fahrlässigkeit des Kondiktionsgläubigers in Bezug auf das Verkennen seiner Verpflichtung steht einer Rückforderung nach § 1431 ABGB nicht entgegen.

 

Im Zivilprozess hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten daher zutreffend die Beweislast für den fehlenden Rechtsgrund der getätigten Werklohnzahlungen, dh für die Unzweckmäßigkeit der aufgewendeten Arbeitsstunden zugewiesen. Auch für seinen Irrtum über das Bestehen der Zahlungsverpflichtung trifft die Beweislast den Beklagten. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen auch andere Möglichkeiten (wissentliche Zahlung einer Nichtschuld, Anerkenntnis) offen.