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16.11.2015 Zivilrecht

OGH: Bauwerkehaftung gem § 1319 ABGB

Das Vorliegen einer entsprechenden baubehördlichen Genehmigung kann den zur Sicherung des Verkehrs Verpflichteten nicht entschuldigen, wenn er aufgrund eigener Kenntnis um den Bestand einer Gefahrenquelle weiß oder wissen muss, aber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlässt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Bauwerkehaftung, baubehördliche Genehmigung, Verkehrssicherungspflicht
Gesetze:

 

§ 1319 ABGB

 

GZ 7 Ob 148/15p [1], 16.10.2015

 

OGH: Der Begriff „Werk“ iSd § 1319 ABGB wird an sich weit ausgelegt. Als Werke gelten künstliche Aufbauten wie Gerüste, Dachgärten, Tribünen, Ladungsstege, eine Baugrube, eine elektrische Leitung und ein nicht ausreichend beleuchteter oder sonst gesicherter Kellerabgang. Jede Schadensverursachung durch typische Gefahren eines Werks ist unter § 1319 ABGB zu subsumieren. Gegen die Qualifizierung des Hauszugangs als Werk durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision nicht. Für deliktische Schadenersatzansprüche nach § 1319 ABGB haftet die Eigentümergemeinschaft.

 

Davon ausgehend erweist sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, der nicht ausreichend beleuchtete oder sonst zum Garagenbereich gesicherte Hauszugang sei ein mangelhaftes Werk iSd § 1319 ABGB, weshalb für daraus abgeleitete Schadenersatzansprüche die zweitbeklagte Eigentümergemeinschaft hafte, als vertretbar.

 

Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich va danach in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Die Verkehrssicherungspflicht kann durch allenfalls bestehende Sondervorschriften immer nur ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Das Vorliegen einer entsprechenden baubehördlichen Genehmigung kann daher den zur Sicherung des Verkehrs Verpflichteten nicht entschuldigen, wenn er aufgrund eigener Kenntnis um den Bestand einer Gefahrenquelle weiß oder wissen muss, aber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlässt.

 

Vom Eigentümer eines Bauwerks können nur solche Schutzvorkehrungen verlangt werden, die vernünftigerweise, also nach der Auffassung des Verkehrs von ihm zu erwarten sind. Er haftet für alle nach den Umständen zumutbaren und gebotenen Sicherungsmaßnahmen und Überwachungsmaßnahmen. Die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfaltspflicht setzt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus.

 

Das Berufungsgericht beurteilte den vorliegenden Sachverhalt dahingehend, dass trotz der 1972 erteilten Benützungsbewilligung und des Umstands, dass sich bisher kein Unfall ereignet habe, die Beklagten die von dem mangelhaft beschaffenen Hauszugang ausgehende Gefahr hätten erkennen und vorhersehen müssen, dass jemand bei Dunkelheit stolpern und in den tiefer gelegenen Garagenbereich stürzen könnte. Insbesondere die Erstbeklagte als Vermieterin habe auch den ihr gem § 1298 ABGB obliegenden Beweis, sie habe alle ihr zu Gebote gestandenen Möglichkeiten ausgeschöpft, nicht erbracht. Diese Beurteilung ist vor dem Hintergrund der oben angeführten oberstgerichtlichen Rsp vertretbar.