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23.11.2015 Zivilrecht

OGH: Krankenzusatzversicherung – medizinisch notwendige Heilbehandlung iSd § 178b VersVG

Die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung ist nach objektiven Kriterien und ex ante zu beurteilen


Schlagworte: Versicherungsrecht, Krankenzusatzversicherung, medizinisch notwendige Heilbehandlung
Gesetze:

 

§ 178b VersVG

 

GZ 7 Ob 165/15p [1], 16.10.2015

 

OGH: In § 178b Abs 1 und 2 VersVG, an dem sich die AVB orientieren, ist sowohl für die Krankheitskostenversicherung als auch für die Krankenhaus-Tagegeldversicherung die Deckungspflicht an die „medizinische Notwendigkeit“ der Heilbehandlung oder des stationären Aufenthalts gebunden.

 

Nach LuRsp zur vergleichbaren deutschen Rechts - (§ 178b VVG aF, § 192 VVG 2007) - und Bedingungslage (MB/KK) ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Die medizinische Notwendigkeit ist also nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Medizinisch notwendig ist eine konkret durchgeführte Maßnahme oder Leistung dann, wenn sie erforderlich war, um eine Krankheit zu erkennen oder zu behandeln. Es genügt nicht, wenn die Maßnahme lediglich sinnvoll oder nützlich ist oder wenn sie für den Patienten nur bequemer oder praktikabler als andere gleichermaßen geeignete Behandlungsformen ist. Aber nicht nur die Heilung einer Erkrankung, auch die Linderung der Krankheit kann eine medizinisch notwendige Heilbehandlung sein. Dabei ist die medizinische Notwendigkeit strikt ex ante zu beurteilen. Die medizinische Notwendigkeit kann nicht deswegen verneint werden, weil sich im Nachhinein betrachtet, etwa wegen des nicht eingetretenen Behandlungserfolgs, andere Maßnahmen als besser herausstellen. Ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist, ist nicht ex post und nach dem Ergebnis der Behandlung, sondern allein auf der Grundlage der jeweils bei Beginn oder im Verlauf der Behandlung erkennbaren Tatsachen zu beurteilen.

 

Für die österreichische Rechtslage vertritt Schauer gleichermaßen, dass die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Dabei ist eine ex ante Betrachtung vorzunehmen, sodass es darauf ankommt, ob die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Anordnung nach dem medizinischen Befund und den medizinischen Erkenntnissen geeignet erschien, den angestrebten Behandlungserfolg herbeizuführen. Nicht entscheidend ist, ob sich ein solcher Erfolg tatsächlich eingestellt hat.

 

Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an.

 

Nach den maßgeblichen Feststellungen litt die Klägerin bereits seit vielen Jahren an massiven Rückenproblemen. Aus diesem Grund wurde ihr von zwei Ärzten eine Brustverkleinerung empfohlen, die letztlich auch aufgrund der ärztlichen Überweisung einer weiteren Ärztin durchgeführt wurde. Der Operateur bestätigte noch kurz vor der Operation die medizinische Indikation, wobei er ein voraussichtliches Resektionsgewicht von 500 g pro Seite erwartete. Auch aus orthopädischer Sicht war die Brustverkleinerung medizinisch indiziert und bestand Aussicht auf Verbesserung des Beschwerdebildes.

 

Damit war aber bei der vorzunehmenden ex ante Betrachtung, nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung die Behandlungsmaßnahme der Brustverkleinerung vertretbar. Dass diese Behandlung - letztlich anders als geplant - verlief, nur ein Reduktionsgewicht von 184 g bzw 165 g erzielt werden konnte und sich daher der gewünschte Erfolg rückblickend nicht (zur Gänze) einstellte, führt nicht dazu, dass die bei der Behandlung gegebene medizinische Indikation zu verneinen ist. Nach den Feststellungen nahm die Klägerin keinen Einfluss auf das Reduktionsgewicht.