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30.11.2015 Zivilrecht

OGH: Haftung für Sturz eines Kunden im Supermarkt

Hat der Kunde das Vorhandensein einer Gefahrenquelle in einem von Kunden stark frequentierten Bereich eines Supermarkts als Ursache für seinen Sturz nachgewiesen, obliegt dem Betreiber des Supermarkts der Nachweis, dass es ohne ein Verschulden seiner Mitarbeiter zur Entstehung und zum Aufrechtbleiben der Gefahrenquelle gekommen ist


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Supermarkt, Sorgfaltspflichten, Kontrollpflicht, Sturz eines Kunden
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB

 

GZ 10 Ob 53/15i [1], 22.10.2015

 

OGH: Der Geschäftsinhaber hat das Geschäftslokal in gefahrlosem Zustand zu erhalten; es sind ihm aber nur mögliche und zumutbare Pflichten zur Vermeidung von Gefahren aufzuerlegen. Der Bedarf an Kontrollen des Fußbodens in einem Supermarkt auf Verunreinigungen wird daher im Einzelfall stets von verschiedensten Faktoren abhängig sein, wie der Kundenfrequenz und dem Gefahrenpotential, das von den zum Verkauf angebotenen Waren ausgeht, aber auch von Umständen wie der Witterung, der Größe des Geschäftslokals etc. Erhöhtem Gefahrenpotential wird durch erhöhte Sorgfaltspflichten (Kontroll- und Reinigungstätigkeiten) zu begegnen sein. Sicherungsmaßnahmen sind nämlich umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung ist. Die Einhaltung eines - den erforderlichen Schutz- und Sorgfaltspflichten entsprechenden - Kontrollsystems wird darüber hinaus wohl auch eine gewisse zeitliche Regelmäßigkeit voraussetzen. Unzweifelhaft kommt es daher nicht allein auf die „abstrakte“ Eignung des Kontrollsystems der Reinigung „nach Bedarf“ an, sondern ist maßgeblich, wie dieses Kontrollsystem gerade vor dem Unfall bei der damals gegebenen starken Kundenfrequenz mit der vorhandenen Anzahl an Mitarbeitern gehandhabt und umgesetzt wurde. Es ist also von Bedeutung, ob und allenfalls wie es zu Kontrollen des Bodens an der späteren Unfallstelle gekommen ist, allenfalls wie oft und wann zuletzt vor dem Unfall. Maßgeblich erscheint insbesondere auch, ob die im Nebengang zum Zeitpunkt des Sturzes des Klägers gerade im Einsatz gewesene Reinigungsmaschine unmittelbar vor dem Unfall auch an der Unfallstelle zum Einsatz gekommen ist oder dies nicht der Fall war. Die von der Beklagten gezogene (allgemeine) Schlussfolgerung, infolge ihrer - im Zuge der Erarbeitung von Verkaufsstandards entwickelten - generellen Anweisungen an ihre Mitarbeiter und der diesen übertragenen persönlichen Verantwortlichkeit könne ausgeschlossen werden, dass sich die Verunreinigung bereits längere Zeit am Boden befunden habe, weshalb jedes Verschulden zu verneinen sei („was nicht sein darf, kann nicht sein“), reicht jedenfalls nicht aus, um den der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis als gelungen anzusehen.