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04.01.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob eine Snowboard-Fahrerin wegen rund zweieinhalb Meter außerhalb der Piste stehender Kinder eine Fahrlinie wählen muss, aus der sie ununterbrochen Sicht auf die Kinder hat, bzw ob sie in Annäherung an die Kinder das Überholen einer anderen Schifahrerin unterlassen muss

Im hier zu beurteilenden Fall ist va zu berücksichtigen, dass der Kläger und sein Bruder - als sich die Beklagte näherte - etwa zwei Meter außerhalb der Piste auf einem Hügel, also nicht einmal unmittelbar am Rand, sondern deutlich außerhalb des Schiwegs standen; von der Klägerin zu verlangen, sie hätte keine Schwünge machen dürfen, durch die die Kinder (ohnedies nur kurzfristig) aus ihrem Blickwinkel geraten, und sie überdies zu verpflichten, eine Geschwindigkeit zu wählen, die es ihr ermöglicht hätte, jederzeit vor allenfalls im letzten Moment in die Piste einfahrenden Kindern stehenzubleiben, würde bedeuten, dass sie als Snowboarderin angesichts des geringen Gefälles des Wegs Gefahr gelaufen wäre, überhaupt zum Stillstand zu kommen; dass das Berufungsgericht darin eine Überspannung der Sorgfaltspflichten der ohnedies nur mit geringer Geschwindigkeit fahrenden Beklagten sah und vom Alleinverschulden des Klägers ausging, der unmittelbar vor ihr in die Piste einfuhr und ihr damit jegliche unfallvermeidende Reaktion unmöglich machte, ist daher jedenfalls vertretbar


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Snowboardfahrer, Schifahrer, Vertrauensgrundsatz, Kinder, Überspannung der Sorgfaltspflichten
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 3 StVO

 

GZ 8 Ob 90/15s [1], 25.11.2015

 

OGH: Die Beurteilung der Vorwerfbarkeit des Verhaltens der an einem Schi- oder Snowboard-Unfall Beteiligten kann immer nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen.

 

Dass den Kläger, der ohne Rücksicht auf die auf dem Schiweg herannahende Beklagte unmittelbar vor dieser in die Piste einfuhr, ein Verschulden am Unfall trifft, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Der Kläger meint aber, dass auch die Beklagte ein Verschulden am Unfall zu vertreten habe, weil der auch beim Schifahren geltende Vertrauensgrundsatz - so wie im Straßenverkehr - zugunsten von Kindern nicht gelte und daher die Beklagte nur langsam und unter ständiger Beobachtung der Kinder an diesen hätte vorbeifahren dürfen.

 

Dem Kläger ist durchaus zuzugestehen, dass auch beim Schifahren trotz des auch dort grundsätzlich geltenden Vertrauensgrundsatzes auf das verkehrsgerechte Verhalten von Kindern nicht bzw nur beschränkt vertraut werden kann. Auch in diesem Zusammenhang gilt aber, dass der im Übrigen auch in den FIS-Regeln verankerte Grundsatz der Rücksichtnahme auf andere Schifahrer nicht überspannt werden darf, um nicht das Schifahren überhaupt unmöglich zu machen.

 

Im hier zu beurteilenden Fall ist va zu berücksichtigen, dass der Kläger und sein Bruder - als sich die Beklagte näherte - etwa zwei Meter außerhalb der Piste auf einem Hügel, also nicht einmal unmittelbar am Rand, sondern deutlich außerhalb des Schiwegs standen. Von der Klägerin zu verlangen, sie hätte keine Schwünge machen dürfen, durch die die Kinder (ohnedies nur kurzfristig) aus ihrem Blickwinkel geraten, und sie überdies zu verpflichten, eine Geschwindigkeit zu wählen, die es ihr ermöglicht hätte, jederzeit vor allenfalls im letzten Moment in die Piste einfahrenden Kindern stehenzubleiben, würde bedeuten, dass sie als Snowboarderin angesichts des geringen Gefälles des Wegs Gefahr gelaufen wäre, überhaupt zum Stillstand zu kommen. Dass das Berufungsgericht darin eine Überspannung der Sorgfaltspflichten der ohnedies nur mit geringer Geschwindigkeit fahrenden Beklagten sah und vom Alleinverschulden des Klägers ausging, der unmittelbar vor ihr in die Piste einfuhr und ihr damit jegliche unfallvermeidende Reaktion unmöglich machte, ist daher jedenfalls vertretbar.