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11.04.2016 Zivilrecht

OGH: Gilt nach dem Übergangsrecht zur Novellierung des § 3 Abs 2 Z 2 MRG durch die WRN 2006, mit der eine Erweiterung der Erhaltungspflichten des Vermieters (über die ernsten Schäden des Hauses hinaus) um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung eingeführt wurde, ab dem 1. Oktober 2006 auch in Altverträgen eine entsprechende zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters, sodass gegenteilige Erhaltungsvereinbarungen, die auch in diesem Umfang die Erhaltungspflicht auf den Mieter überwälzen wollen, unwirksam geworden sind?

Der erkennende Senat schließt sich der vorherrschenden Lehrmeinung angesichts des klaren, nicht durch ergänzende Spezialregelungen eingeschränkten - Wortlauts des § 49e Abs 9 MRG an, der eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung enthält


Schlagworte: Mietrecht, Erhaltungspflichten des Vermieters, Altmietzinsvereinbarungen, erhebliche Gesundheitsgefährdung
Gesetze:

 

§ 49e MRG, § 3 MRG

 

GZ 3 Ob 85/15v [1], 16.03.2016

 

OGH: § 49e Abs 1 MRG normiert das Inkrafttreten ua der Änderungen des § 3 MRG mit 1. Oktober 2006; für den - hier vorliegenden - Fall, dass die übrigen Übergangsbestimmungen nichts anderes anordnen, sieht § 49e Abs 9 MRG vor: „Im Übrigen ist die Wohnrechtsnovelle 2006 ab dem 1. Oktober 2006 auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. Oktober 2006 geschlossen wurden.“

 

Dieser Wortlaut enthält zwar eine Rückwirkungsanordnung, die sich inhaltlich nicht von jener des § 43 Abs 1 MRG (der intertemporalen Generalklausel für die Urfassung des MRG, BGBl 1981/520) unterscheidet; anders als für das Inkrafttreten des MRG fehlt aber eine spezielle Übergangsvorschrift wie sie § 43 Abs 2 MRG vorsah. Damit sollte ausgedrückt werden, dass sich die Wirksamkeit von „Altmietzinsvereinbarungen“ grundsätzlich auch nach dem Inkrafttreten des MRG weiter nach dem im Zeitpunkt solcher Mietzinsvereinbarungen geltenden Recht zu richten hat. Die vertragliche Übernahme der Instandhaltungspflicht durch den Mieter vor dem 1. Jänner 1982 wurde von der Judikatur mangels Vorliegens gesetzlicher Zinsbeschränkungen als zulässige Vereinbarung eines bestimmbaren (weiteren) Entgelts für die Zurverfügungstellung des Mietgegenstandes angesehen.

 

In der Lehre herrscht die Rechtsansicht vor, wegen des Fehlens einer der § 43 Abs 2 MRG vergleichbaren intertemporalen Spezialnorm in der Übergangsregelung der WRN 2006 sei davon auszugehen, dass die Beseitigung erheblicher Gesundheitsgefährdungen, die vom Mietgegenstand ausgehen, seit 1. Oktober 2006 auch dann zu den dem Vermieter zwingend zugewiesenen Erhaltungspflichten zählt, wenn bei vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträgen zunächst zulässigerweise anderes vereinbart wurde; dass gegenteilige Erhaltungsvereinbarungen, die auch in diesem Umfang die Erhaltungspflicht auf den Mieter überwälzen wollen, also unwirksam geworden sind.

 

Der erkennende Senat schließt sich der dargestellten vorherrschenden Lehrmeinung angesichts des klaren, nicht durch ergänzende Spezialregelungen eingeschränkten - Wortlauts des § 49e Abs 9 MRG an, der eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung enthält.

 

Diese wird auch durch den zwingenden Charakter der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 MRG indiziert, der gemeinsam mit den übrigen Regelungen der §§ 3 und 6 MRG insgesamt erkennen lässt, dass es dem Gesetzgeber darum ging, nicht nur die eindeutige Zuständigkeit des Vermieters für solche, dringend gebotene Erhaltungsarbeiten klar festzulegen, sondern auch für deren effiziente und rasche Durchsetzung zu sorgen. Das gilt im besonderen für die sog „privilegierten Arbeiten“, deren Durchsetzung (auch) von Fragen der Finanzierung befreit ist. Die rasche Beseitigung der besonderen Gefahren zum Schutz der Hausbewohner (und auch der Allgemeinheit) steht daher im Vordergrund. Dieser Schutz des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit sollte nicht davon abhängig sein, wann Vereinbarungen über die Erhaltungspflicht als Teil der Mietzinsvereinbarung geschlossen wurden und rechtfertigt daher auch einen nachträglichen Eingriff des Gesetzgebers in die von den Mietvertragspartnern erzielte Äquivalenz zwischen den beiderseitigen Leistungen.