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19.04.2016 Zivilrecht

OGH: Zum Überhangsrecht bei Bäumen und Sträuchern

§ 422 ABGB verleiht nicht das Recht, abgeschnittene Äste auf das Baumgrundstück zurückzuwerfen


Schlagworte: Nachbarrecht, Baum, Strauch, Überhangsrecht, Selbsthilferecht, Abschneiden von Ästen, Lagerung, konkludenter Verzicht
Gesetze:

 

§ 422 ABGB, § 14 ForstG, § 863 ABGB

 

GZ 4 Ob 25/16d [1], 23.02.2016

 

OGH: Das Recht des Grundeigentümers ist bezüglich der von Bäumen (oder Sträuchern) ausgehenden Beeinträchtigungen aus Rücksichten der Nachbarschaft nach § 422 ABGB beschränkt. § 422 ABGB ist eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung des vom Überhang betroffenen Grundeigentümers, dem das Gesetz nur ein Selbsthilferecht gibt, aber (sonstige) Abwehransprüche und auch Beseitigungsansprüche versagt. Die jedem Nachbarn nach § 422 ABGB zustehenden Befugnisse werden durch § 14 Abs 1 ForstG dahin eingeschränkt, dass der Überhang dann geduldet werden muss, wenn der Wald durch die Beseitigung einer offenbaren Gefährdung durch Wind oder Sonnenbrand ausgesetzt wird.

 

§ 422 ABGB verleiht dem Nachbarn aber nicht das Recht, abgeschnittene Äste auf das Baumgrundstück zurückzuwerfen, weil eine derartige Vorgangsweise das Eigentum des Baumeigentümers stört und (wie das Absägen überstehender Äste) einer gesetzlichen Rechtfertigung bedürfte. Eine derartige Befugnis ist - ebensowenig wie das Recht des Nachbarn, das Grundstück des Baumeigentümers zu betreten - nicht aus § 422 ABGB abzuleiten. Eine derartige Ablagerung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass dies „immer schon so gepflogen“ wurde. Eine stillschweigende bloße Duldung der Benützung der Liegenschaft zur Ablagerung von Ästen stellt noch keinen Verzicht auf Geltendmachung des Anspruchs auf Unterlassung einer solchen Benützung dar.