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26.04.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die Unzumutbarkeit des Lichtentzugs bei im Wohnungseigentum stehenden Häusern nach dem Verhältnis der beschatteten Grundfläche zur Gesamtliegenschaft oder zum Wohnungseigentumsobjekt des Klägers zu beurteilen ist

Der Rechtssatz, dass die Beeinträchtigung einer verhältnismäßig geringfügigen Fläche der Nachbarliegenschaft im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein wird, bezieht sich auf die vom jeweiligen Kläger tatsächlich genutzte Grundfläche; die gegenteilige Auffassung würde letztlich bedeuten, dass Wohnungseigentümer einer größeren Anlage wegen ihres geringen Grundanteils regelmäßig von einem Anspruch nach § 364 Abs 3 ABGB ausgeschlossen wären


Schlagworte: Nachbarrecht, negative Immissionen, unzumutbare / wesentliche Beeinträchtigung, Lichtimmissionen, Wohnungseigentum, Verhältnis der beschatteten Grundfläche zur Gesamtliegenschaft oder zum Wohnungseigentumsobjekt
Gesetze:

 

§ 364 ABGB

 

GZ 8 Ob 59/15g [1], 26.02.2016

 

OGH: Für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung iSd § 364 Abs 3 ABGB unzumutbar ist, kommt es nach stRsp auf die konkrete Nutzungsmöglichkeit für den Kläger an. Der in der Revision ins Treffen geführte Rechtssatz, dass die Beeinträchtigung einer verhältnismäßig geringfügigen Fläche der Nachbarliegenschaft im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein wird, bezieht sich auf die vom jeweiligen Kläger tatsächlich genutzte Grundfläche. Die gegenteilige Auffassung würde letztlich bedeuten, dass Wohnungseigentümer einer größeren Anlage wegen ihres geringen Grundanteils regelmäßig von einem Anspruch nach § 364 Abs 3 ABGB ausgeschlossen wären.

 

Bei einer Miteigentümergemeinschaft ist grundsätzlich jeder einzelne Berechtigte zur Abwehr von Störungen legitimiert, sofern er sich nicht in Widerspruch mit den Übrigen setzt. Dies gilt auch für einen Wohnungseigentümer hinsichtlich allgemeiner Hausteile, wie den hier strittigen Hausgarten, der nach dem Grundbuchstand kein Zubehör des Wohnungseigentums des Klägers ist. Im Einzelfall könnte allenfalls die Schwelle der Unzumutbarkeit für den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer bei der Beeinträchtigung eines bloß allgemeinen Teils der Liegenschaft höher anzusetzen sein als bei der Beeinträchtigung des ihm zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Wohnungseigentumsobjekts.

 

Nach stRsp muss sich ein zugezogener Nachbar grundsätzlich mit den beim Erwerb seines Grundstücks vorgefundenen örtlichen Verhältnissen abfinden. Dabei ist auch die vorhersehbare Entwicklung aufgrund der natürlichen Beschaffenheit des Geländes zu berücksichtigen.

 

Zutreffend hat es das Berufungsgericht aber hier nicht für entscheidend erachtet, dass die streitgegenständlichen Bäume auf dem Grundstück der Beklagten bei Erwerb der Eigentumswohnung durch den Kläger bereits vorhanden waren. Nach dem maßgeblichen Sachverhalt war bei Erwerb der klägerischen Eigentumswohnung zwar bereits erkennbar, dass auf dem Nachbargrundstück junge Waldbäume wachsen, die in Zukunft eine erhebliche Höhe erreichen könnten, da es sich bei der Liegenschaft der Beklagten aber nicht um ein natürliches Waldgrundstück, sondern einen Garten in einem geschlossenen Siedlungsgebiet handelt, musste der Kläger nicht mit einem zukünftigen unbegrenzten Wildwuchs rechnen.

 

Die gem § 364 Abs 3 ABGB erforderliche Beurteilung des ortsüblichen Ausmaßes einer (negativen) Immission, der Wesentlichkeit einer Nutzungsbeeinträchtigung sowie der Unzumutbarkeit ist immer einzelfallbezogen.

 

Dem Berufungsgericht ist darin nicht entgegenzutreten, dass eine Ortsüblichkeit der Höhe der einzelnen Bäume im Grenzbereich des streitgegenständlichen Grundstücks für sich allein nicht ausreicht, um einen Unterlassungsanspruch des Klägers zu verneinen. Zwar ist die Höhe der Bäume naturgemäß für die Reichweite ihres Schattens von Bedeutung, es kommt aber hier auch auf die Dichte des Bewuchses an, da die Kronen einander berühren und einen durchgehenden Schatten über die gesamte Länge der Grundstücksgrenze werfen. Eine so dichte Baumreihe findet sich nach den vorgelegten Lichtbildern innerhalb der Wohnsiedlung ausschließlich auf dem Grundstück der Beklagten. Von einer ortsüblichen Bepflanzung kann hier nicht die Rede sein, auch wenn in anderen Gärten vereinzelte Bäume von ähnlicher Höhe stehen.

 

Die Revision macht jedoch zu Recht geltend, dass der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt für eine rechtliche Beurteilung nicht ausreicht.

 

Wann eine Beeinträchtigung schon wesentlich, aber noch nicht unzumutbar ist, kann nicht allgemein gültig beantwortet werden. Je näher die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger wird dabei ihre Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Maßgeblich sind die konkret festzustellenden Umstände.

 

Der Kläger begehrt primär die Unterlassung einer unzumutbaren Beschattung seiner Wohnräume. Er hat vorgebracht, nicht nur der Garten, sondern „vor allem“ seine Terrasse und seine Wohnungsfenster würden vom Schattenwurf der Bäume und Sträucher auf dem Nachbargrundstück betroffen, sodass die Räume auch tagsüber künstlich beleuchtet werden müssten.

 

Zu diesem Vorbringen liegen überhaupt keine Feststellungen vor. Beide Vorinstanzen haben sich nur mit dem Schattenwurf im Bereich des Gartens befasst, wobei auch die dazu getroffenen Feststellungen teilweise unklar sind.

 

Ob sich der Lichteinfall im Garten außerhalb der Vegetationsperiode im Ergebnis günstiger, ungünstiger oder ungefähr gleich wie während der warmen Jahreszeit darstellt, ist nicht nachvollziehbar. Es steht fest, dass innerhalb der Vegetationsperiode die Sonneneinstrahlung ab 13:30 Uhr unbehindert ist, außerhalb der Vegetationsperiode besteht einerseits „ganztägig eine höhere Schattenwurfwirkung“, andererseits tritt die (volle?) Besonnung aber schon ab 13:00 Uhr ein. In welchem Ausmaß die „baulich bedingte Unterbelichtung des südostseitigen Gartenbereichs“ durch die Hausbalkone für die Beeinträchtigung des Gartens im Verhältnis zum Baumbestand eine Rolle spielt, ist ebenfalls undeutlich geblieben. Zu dem Einwand der Beklagten, dass der - auch auf den Lichtbildern auffallende - Schattenwurf des mannshohen, blickdichten Holz- und Thujenzauns auf dem klägerischen Grundstück zur Vermoosung des davor gelegenen Rasens führe, liegen gar keine Feststellungen vor.

 

Um die Frage der Unzumutbarkeit des Lichtentzugs abschließend beurteilen zu können, wird das Erstgericht das Verfahren im dargelegten Sinn zu ergänzen, insbesondere konkrete Feststellungen zum Ausmaß der vegetationsbedingten Verschattung der Wohnräume bzw Terrasse des Klägers zu treffen haben.