OGH > Zivilrecht
02.05.2016 Zivilrecht

OGH: Zum Nottestament iVm der Möglichkeit eines fremdhändigen Testaments

Die Beweislast dafür, dass dem Erblasser die Hinzuziehung eines dritten Testamentszeugen für ein fremdhändiges Testament nach § 579 ABGB nicht zumutbar war, trifft die Bedachten


Schlagworte: Erbrecht, Nottestament, Notsituation, Lebensgefahr, Möglichkeit eines ordentlichen Testaments, Gültigkeit, Beweislast, fremdhändiges Testament
Gesetze:

 

§ 597 ABGB, § 579 ABGB

 

GZ 2 Ob 86/15h [1], 17.03.2016

 

OGH: Nach § 597 Abs 1 ABGB (idF FamErbRÄG 2004) kann der Erblasser mündlich (oder auch schriftlich) unter Beiziehung zweier fähiger Zeugen, die zugleich gegenwärtig sein müssen, nur mehr dann rechtswirksam testieren, wenn unmittelbar die Gefahr droht, dass er stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag. Ein so erklärter letzter Wille verliert 3 Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit. Die Notsituation liegt nur vor, wenn sowohl Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit als auch die (dadurch bedingte) Unmöglichkeit in anderer Weise zu testieren besteht. Ungeachtet der im Gesetz objektiv formulierten Gefahrensituation kommt es aber darauf an, ob ein allgemein nachvollziehbarer, durch objektive Umstände begründeter Eindruck einer Notsituation beim Erblasser besteht.

 

Als weiteres Tatbestandselement setzt die Errichtung eines Nottestaments voraus, dass der Erblasser seinen letzten Willen auf andere Weise nicht zu erklären vermag. Das Nottestament soll ultima ratio sein. Der Zeitpunkt der Möglichkeit eines ordentlichen Testaments kann aber nur zusammen mit jenem der möglichen Gefahrenverwirklichung geprüft werden, auszugehen ist von einer Betrachtung ex ante. Besteht nach obigen Kriterien eine Gefahrensituation, wird dem testierwilligen Erblasser ein längeres Zuwarten nicht zumutbar sein. Das versteht sich von selbst in den gerne zitierten „Extremfällen“ (Unfall im Hochgebirge, Absturzgefahr eines Flugzeugs etc), kann aber auch beim Aufenthalt eines Schwerkranken im Krankenhaus zu bejahen sein, dessen Gesundheitszustand sich jederzeit verschlechtern kann. Zu fragen ist aber, welche Anstrengungen dem Erblasser selbst zumutbar waren, um in seiner konkreten Lage nicht nur die Formerfordernisse eines Nottestaments, sondern jene eines ordentlichen Testaments zu erfüllen, also ob er persönlich in der Lage war, einen Notar zu sich zu rufen. Auf die mehr oder weniger große Hilfsbereitschaft dritter Personen kommt es dabei nicht an.

 

Der Beweis der äußeren Formgültigkeit einer letztwilligen Anordnung obliegt dem darin Bedachten. Dies gilt auch für ein mündliches Nottestament. Die Beweislast dafür, dass dem Erblasser die Hinzuziehung eines dritten Testamentszeugen (für ein fremdhändiges Testament nach § 579 ABGB) nicht zumutbar war, trifft daher ebenfalls die Bedachten.