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11.07.2016 Zivilrecht

OGH: Haushaltsversicherung – zur Frage, wann eine Tür als „versperrt“ iSd Art 4.1. AHB anzusehen ist

Zur Erfüllung der Obliegenheit nach Art 4.1. ABH, beim Verlassen der Versicherungsräumlichkeiten diese zu versperren, reicht es nicht aus, eine Haus- oder Wohnungseingangstür mit einem Knauf auf der Außenseite bloß zuzuziehen; vielmehr ist die aktive Betätigung des Schließmechanismus erforderlich


Schlagworte: Versicherungsrecht, Haushaltsversicherung, versperren, Schließmechanismus, Tür zuziehen
Gesetze:

 

Art 4.1. ABH

 

GZ 7 Ob 76/16a [1], 25.05.2016

 

Der Kläger hat beim beklagten Versicherer eine Haushaltsversicherung für sein Reihenhaus abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS; Fassung 1995) zugrunde liegen.

 

Art 4 ABH lautet auszugsweise:

 

„Welche Sicherheitsvorschriften hat der Versicherungsnehmer zu beachten?

 

1. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten auch nur für kurze Zeit von allen Personen verlassen werden, sind sie zu versperren und Sicherungen, die vertraglich mit Besonderen Bedingungen vereinbart sind, vollständig anzuwenden.

 

[…]

 

4. Die vorgenannten Sicherheitsvorschriften gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften im Sinne des Art 3 ABS.

 

[...]“

 

Art 3 ABS lautet auszugsweise:

 

„Sicherheitsvorschriften

 

(1) Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzliche, behördliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften [...]

 

(2) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalles oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder [...]“

 

Am 25. 6. 2014 drangen ein oder mehrere unbekannte Täter in das von allen Personen verlassene Reihenhaus des Klägers über die Haustür ein. Im Zeitpunkt des Einbruchs war diese lediglich zugezogen („ins Schloss gefallen“), jedoch nicht (mit dem Schlüssel) zugesperrt. Die Haustür war auf der Außenseite mit einem Knauf versehen, sodass sie von außen nicht ohne weiteres geöffnet werden konnte.

 

 

OGH: Nach Art 4.1. ABH sind Versicherungsräumlichkeiten zu versperren, wenn diese auch nur für kurze Zeit von allen Personen verlassen werden. Im Revisionsverfahren ist die Frage zu klären, ob es nach der Bedingungslage zum „Versperren“ bereits ausreicht, den allgemeinen Benützerkreis durch das bloße „Zuziehen“ der auf der Außenseite mit einem Knauf versehenen Haustür auszuschließen, oder ob darüber hinaus die aktive Betätigung des Schließmechanismus erforderlich ist:

 

Die Haushaltsversicherung bietet grundsätzlich Versicherungsschutz für die Wohnung im engeren Sinn, also für jene Räume, die der Versicherungsnehmer durch Versperren von der allgemeinen Benützung ausschließt. Art 4.1. ABH enthält in diesem Zusammenhang eine Obliegenheit mit dem jedem Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck, ein unbefugtes Eindringen unmöglich zu machen oder zumindest erheblich zu erschweren.

 

Dieser Zweck kann in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen und entgegen der Revision nicht bereits durch das Zuziehen einer Haustür mit einem Knauf auf der Außenseite erreicht werden, bietet dies doch nach allgemeinem Kenntnisstand einen weit geringeren Einbruchsschutz. Erst die aktive Betätigung des Schließmechanismus und die damit einhergehende Sperrfunktion bewirkt, dass ein entsprechendes Fachwissen und/oder deutliche Gewaltanwendung erforderlich ist, um über eine Haustür in die versicherten Räumlichkeiten zu gelangen. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer geht demnach bei dieser Bedingungslage davon aus, dass ein bloßes Zuziehen einer Haustür mit einem Knauf auf der Außenseite nicht dem geforderten „Versperren“ genügt. „Versperren“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch die aktive Betätigung des Schließmechanismus.

 

Nach dem zu beurteilenden Sachverhalt wurde die Haustür bloß zugezogen; der beklagte Versicherer hat demnach die Verletzung der Obliegenheit des Art 4.1. ABH nachgewiesen.

 

Daraus folgt die Leistungsfreiheit des Versicherers.