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22.08.2016 Zivilrecht

OGH: Verletzung iZm unerlaubter Rutschhaltung bei Benützung einer Wasserrutsche – zur Haftung eines Schwimmbadbetreibers

Der Inhaber einer Badeanstalt muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nur jene Maßnahmen ergreifen, die von ihm nach der Verkehrsauffassung verlangt werden können; darüber hinausgehende Vorkehrungen sind (nur) dann in Betracht zu ziehen, wenn die Möglichkeit nahe liegt, dass sich Gefahren infolge unerlaubten Verhaltens bei Benützung der Anlage ergeben; diesfalls hat der Betreiber der Anlage im Rahmen des Zumutbaren auch dagegen angemessene Maßnahmen zu bewerkstelligen; die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch bei Einnahme einer unerlaubten Rutschhaltung das Hinausgreifen aus der Wasserrutsche keine „nahe liegende Möglichkeit“ in diesem Sinn darstellt, ist nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Falls nicht unvertretbar


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Badeanstalt, Wasserrutsche, Verkehrssicherungspflicht, unerlaubte Rutschhaltung
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB

 

GZ 9 Ob 77/15m [1], 26.07.2016

 

OGH: Welche Sicherungsmaßnahmen zumutbar und erforderlich sind, hängt – wie der OGH auch iZm Wasserrutschen bereits mehrfach ausgeführt hat – immer von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Ähnlich wie im vom Sachverhalt her vergleichbaren Fall 5 Ob 299/05i lag auch im vorliegenden Fall die Unfallstelle weder im Benützungsbereich noch im Gefahrenbereich oder im hindernisfreien Bereich iSd einschlägigen ÖNORM. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie – wie in 5 Ob 299/05i – nur bei einem vorschriftswidrigen Hinausgreifen aus der Wasserrutsche erreicht werden kann. Das Erstgericht hat auch – disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – festgestellt, dass für die Beklagte gar nicht erkennbar war, dass dort eine Gefahrenquelle sein könnte. Bei Einhaltung der einzigen erlaubten und vorgeschriebenen Rutschhaltung, bei der die Hände entweder am Körper anliegen oder hinter dem Kopf verschränkt sein müssen, kann nämlich die Unfallstelle nicht erreicht werden. Mit der Behauptung, dass auch bei auf dem Rücken liegender Rutschhaltung die Außenkante der Rutsche theoretisch ergriffen werden kann, übersieht der Revisionswerber, dass dafür ein Ausstrecken der Hände erforderlich ist, was der vorgeschriebenen Rutschhaltung gerade nicht entspricht.

 

Der Inhaber einer Badeanstalt muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nur jene Maßnahmen ergreifen, die von ihm nach der Verkehrsauffassung verlangt werden können. Ein darüber hinausgehendes Verlangen würde nämlich die Verkehrssicherungspflicht überspannen und letzten Endes auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen. Darüber hinausgehende Vorkehrungen sind daher (nur) dann in Betracht zu ziehen, wenn die Möglichkeit nahe liegt, dass sich Gefahren infolge unerlaubten Verhaltens bei Benützung der Anlage ergeben. Diesfalls hat der Betreiber der Anlage im Rahmen des Zumutbaren auch dagegen angemessene Maßnahmen zu bewerkstelligen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch bei Einnahme einer unerlaubten Rutschhaltung das Hinausgreifen aus der Wasserrutsche keine „nahe liegende Möglichkeit“ in diesem Sinn darstellt, ist nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Falls nicht unvertretbar.

 

Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass entscheidend ist, in welchem Ausmaß der Benützer der zur Verfügung gestellten Einrichtung selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann: Hier hat der im Unfallszeitpunkt 38-jährige Kläger schon deshalb einen Sorgfaltsverstoß zu verantworten, weil er – nach mehrmaligem Rutschen in der vorgeschriebenen Rutschhaltung – die Hinweisschilder der Beklagten über die vorgeschriebene Rutschhaltung trotz Warnung vor der Verletzungsgefahr nicht beachtet hat. Darüber hinaus ist die Gefahr, sich bei einem Hinausgreifen aus der Wasserrutsche zu verletzen – dies va auch im Bereich der Flansche und Stöße – für einen erwachsenen Benützer wie den Kläger leicht erkennbar. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine „Reflexhandlung“ berufen, weil diese nur die Folge des Rutschens in einer verbotenen Rutschhaltung war. Wie bereits ausgeführt ist das Erreichen der Unfallstelle bei Einhalten der erlaubten Rutschhaltung nicht möglich. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren in ausreichender Weise wahrgenommen hat, erweist sich im konkreten Fall daher als nicht korrekturbedürftig.