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22.08.2016 Wirtschaftsrecht

OGH: Direkte Aufforderung an Kinder in der Werbung – zur Frage, ob bereits ein pauschalierter Aufwandersatz ein Entgelt ist, sodass ein Kauf iSv UWG Anh Z 28 vorliegt

UWG Anh Z 31 schützt den Gewinner eines Preises auch vor der Zahlung eines Aufwandersatzes, während eine bloße Aufwandentschädigung noch keinen Kauf iSd UWG Anh Z 28 begründet


Schlagworte: Lauterkeitsrecht, aggressive Geschäftspraktiken, direkte Aufforderung an Kinder in der Werbung, Entgelt, Preisausschreiben, Aufwandentschädigung, Mehrwertrufnummer
Gesetze:

 

UWG Anh Z 28, § 1a UWG

 

GZ 4 Ob 126/16g [1], 15.06.2016

 

OGH: Diese Norm dient der (fast wortidenten) Umsetzung der in die „schwarzen Liste“ der jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken aufgenommenen Nr 28 Anhang 1 RL-UGP.

 

Nach zutreffender Ansicht muss die Aufforderung auf den Abschluss eines entgeltlichen Geschäfts gerichtet sein. Es muss dabei nicht geklärt werden, ob eine in der Werbung an Kinder gerichtete Aufforderung gem UWG Anh Z 28 auch dann vorliegen kann, wenn Kinder nicht zum eigentlichen „Kauf eines Produkts“, sondern etwa zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung aufgefordert werden (in diesem Sinne dtUWG Anh Z 28). Selbst wenn man das bejaht, wäre für die klagende Partei nichts gewonnen, sofern nur eine Aufforderung zur unentgeltlichen Teilnahme an einem Preisausschreiben vorliegt. Auch die klagende Partei stellt nicht in Abrede, dass die Aufforderung, an einem Preisausschreiben unentgeltlich teilzunehmen, nicht unter UWG Anh Z 28 fällt. Nach ihrer Ansicht hat aber die Verwendung einer Mehrwertnummer zur Folge, dass ein Kauf iSv UWG Anh Z 28 vorliegt.

 

Im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Zweitgerichts liegt hier eine entgeltliche Teilnahme an einem Preisausschreiben nicht schon deshalb vor, weil die Kinder am Preisausschreiben neben der postalischen Teilnahme auch mit einem kostenpflichtigen Telefonanruf teilnehmen konnten.

 

Entgeltlichkeit folgt aus einer synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpften Gegenleistung. Die nach § 917 ABGB für das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrags erforderliche Vergeltung der Leistungen der beklagten Partei ist hier aber nicht gegeben. Die Teilnehmer am Preisausschreiben haben der beklagten Partei deren Leistung (= Veranstaltung des Preisausschreibens) nämlich nicht durch die von ihnen entrichteten Telefonkosten vergolten. Ein eigenwirtschaftliches Interesse der beklagten Partei an der telefonischen Teilnahme der angesprochenen Kinder lag hier nicht vor. Damit fehlte aber der für ein entgeltliches Geschäft erforderliche Grund für den Leistungsaustausch.

 

Nach gefestigter Rsp bzw eindeutiger Rechtslage ist im bürgerlichen Recht der Begriff des bloßen Aufwandersatzes (Aufwandentschädigung, Auslagenersatz etc) von einer Gegenleistung (= Entgelt) zu trennen: Beispielsweise unterscheidet das Arbeits- und Sozialrecht, das von einem weiten Entgeltbegriff geprägt ist, ob dem Arbeitnehmer ein Entgelt als Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft oder ein Aufwandersatz zur Abdeckung eines ihm tatsächlich entstandenen Aufwands zusteht. Für den (Bitt-)Leihvertrag ist anerkannt, dass die Vereinbarung eines Benützungsentgelts an der Unentgeltlichkeit nichts ändert, wenn dieses nur einen Aufwandersatz bildet. Auch zum ZaDiG wird zwischen Aufwandersatz und Entgelt (inhaltlich) unterschieden. Entsprechendes gilt für den Kostenersatz des Sachwalters, bei dem das Gesetz zwischen den tatsächlich entstandenen Auslagen und Aufwendungen (§ 276 Abs 3 ABGB) und dem Anspruch auf Entgelt (§ 276 Abs 2 ABGB) trennt. Schließlich ist auch im Unterhaltsrecht ein (pauschaler) Aufwandersatz (zB Pflegegeld) vom Verdienst (zB Arbeitsentgelt) zu trennen und kein Teil der Bemessungsgrundlage.

 

Für die Veranstaltung ihres Preisausschreibens verblieb der beklagten Partei nur ein geringer zweistelliger Eurobetrag (29,88 EUR), der die reinen Telefonkosten überstieg. Das Berufungsgericht hat zutreffend damit argumentiert, dass wegen der zulässigen Pauschalierung die Teilnahme am Preisausschreiben nicht entgeltlich wurde, zumal es der beklagten Partei weder möglich war, die Kosten ex ante genauer zu kalkulieren, noch sie jedem Teilnehmer ex post in der exakten Höhe vorzuschreiben. Dass die Kosten pauschal abgegolten werden, ändert am Charakter der Abgeltung als Aufwandersatz nichts, sofern die Pauschalzahlungen nicht unrealistisch hoch angesetzt wurden. Eine derartige hohe Bestimmung des Pauschalbetrags lag hier nicht vor. Es ist daher auch ausgeschlossen, dass die Festlegung des Pauschalbetrags gerade darauf abzielte, der beklagten Partei einen Anteil am Mehrwertentgelt zu sichern, zumal auch der mögliche Betrag für ein zulässiges Entgelt nicht annähernd erreicht wurde (vgl § 91 Kommunikationsparameter-, Entgelt-

und Mehrwertdiensteverordnung 2009).

 

Die klagende Partei zeigt auch keinen Widerspruch zur bisherigen Judikatur auf, weil die von ihr zitierten Entscheidungen (4 Ob 5/03v; 4 Ob 167/08z; 4 Ob 125/11b) von jeweils anderen Konstellationen geprägt waren. Zum einen war dort nicht die Entgeltlichkeit an sich, sondern jeweils das Vorliegen einer „vermögensrechtlichen Leistung“ iSd § 2 Abs 1 GSpG iZm der Fallgruppe Rechtsbruch zu prüfen, wobei die entsprechenden Geschäftsmodelle derart gestaltet waren, dass jedenfalls ein Teil des Entgelts für den Mehrwertdienst an die Veranstalter des Glücksspiels floss. Auch der Entscheidung des EuGH zu C-195/06, KommAustria/ORF lag eine derartige Situation zugrunde. Die Kalkulation der beklagten Partei zielte aber gerade nicht darauf ab, dass sie den ihr letztendlich zugeflossenen geringfügigen Betrag auch tatsächlich erhalten wird.

 

Durch den Umstand, dass in der Entscheidung 4 Ob 167/08z (unter Bezugnahme auf die Rsp des VwGH) auch das dem Netzbetreiber zufließende Entgelt als „vermögensrechtliche Leistung“ iSd dort als Verbotsnorm herangezogenen Bestimmung des § 2 Abs 1 GSpG qualifiziert wurde, ist für die klagende Partei nichts abzuleiten, weil es für die Beurteilung einer aggressiven Geschäftspraktik nach § 1a UWG iVm UWG Anh Z 28 entscheidend ist, dass zum Abschluss eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts mit dem werbenden Unternehmen aufgefordert wird.

 

Die angefochtene Entscheidung widerspricht auch nicht der in der Revision zitierten Entscheidung des EuGH C-428/11, Purely Creativ, die nicht UWG Anh Z 28 sondern UWG Anh Z 31 zum Gegenstand hatte und schon deshalb nicht einschlägig ist, weil UWG Anh Z 31 die Inanspruchnahme eines bereits gewonnenen Preises regelt und ausdrücklich normiert, dass diese Inanspruchnahme nicht von der Übernahme von (jeglichen) „Kosten“ abhängig gemacht werden darf. Somit schützt UWG Anh Z 31 den Gewinner eines Preises auch vor der Zahlung eines Aufwandersatzes, während eine bloße Aufwandentschädigung noch keinen Kauf iSd UWG Anh Z 28 begründet.

 

Der Verbotstatbestand ist, wenn zwar nicht unbedingt eng, jedenfalls aber nicht extensiv auszulegen, zumal ohnedies § 1a UWG und die große Generalklausel als Auffangtatbestände vorliegen. Die Aufforderung an Kinder zur Teilnahme an einem Preisausschreiben, bei dem für den Teilnehmer ein Briefporto von 0,70 EUR oder pauschal kalkulierte Telefonkosten von 0,50 EUR anfallen, erfüllt nicht den Tatbestand des UWG Anh Z 28, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war.