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21.11.2016 Zivilrecht

OGH: Zur Ermittlung des Barkaufpreises im WGG

Ein Investitionsersatzanspruch nach § 20 Abs 5 WGG ist von der Bauvereinigung bei der Ermittlung des Barkaufpreises zu berücksichtigen


Schlagworte: Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Erwerb durch den Nutzungsberechtigten, Ermittlung des Fixpreises, Barpreis, Investitionsersatzanspruch, Vereinigung, Konfusion
Gesetze:

 

§ 15a ff WGG, § 18 WGG, § 20 WGG, § 23 WGG

 

GZ 5 Ob 54/16a [1], 29.09.2016

 

OGH: Eine Bauvereinigung kann ihre Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräume gem § 15b WGG nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen. Dafür kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 23 WGG ein Fixpreis vereinbart werden. Dieser ist ausgehend vom Substanzwert, unter Bedachtnahme auf den Verkehrswert im Zeitpunkt des Anbots der Fixpreisvereinbarung oder gem § 15a WGG unter Bedachtnahme auf eine jeweils sachgerechte und angemessene Absetzung für Abschreibung und eine Wertsicherung zu berechnen. Die Regeln zur Ermittlung des Fixpreises gehören zum öffentlich-rechtlichen Teil des WGG. Der Kaufinteressent hat keine Möglichkeit, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Preisbildungsbestimmungen des § 23 WGG zu kontrollieren. Einwendungen gegen die Höhe des angebotenen Fixpreises können nur wegen offenkundiger Unangemessenheit binnen 6 Monaten nach schriftlichem Angebot gerichtlich geltend gemacht werden. Ein Fixpreis ist offenkundig unangemessen, wenn er den ortsüblichen Preis für frei finanzierte gleichartige Objekte - unter Berücksichtigung der vom Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten zu übernehmenden Verpflichtungen der Bauvereinigung - übersteigt.

 

Der Prüfung der Angemessenheit des Fixpreises (bzw der Festsetzung des Preises durch das Gericht) ist der Zustand des Objekts im Zeitpunkt des Fixpreisangebots zugrunde zu legen, und zwar auch dann, wenn der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte werterhöhende Investitionen getätigt hat. Die Investitionen sind aber (nur) insofern relevant und zu bewerten, als sie nach § 20 Abs 5 WGG kaufpreismindernd zu berücksichtigen sind: Danach hat der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte einer Wohnung, der in den letzten 20 Jahren vor Beendigung des Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung (§ 9 MRG) gemacht hat, die über seine Miet- oder sonstige Nutzungsdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind, bei Beendigung des Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen; der Ersatzanspruch vermindert sich um eine jährliche Abschreibung.

 

Voraussetzung für einen Investitionsanspruch nach § 20 Abs 5 WGG ist, dass das Vertragsverhältnis zur Bauvereinigung beendet wurde. Gem § 1445 ABGB erlöschen aber Recht und Verbindlichkeit bei Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnerstellung aus ein und demselben Schuldverhältnis in einer Person. Durch die Begründung von Wohnungseigentum und Zuweisung des Objekts ins Eigentum des vormaligen Mieters oder Nutzungsberechtigten geht die Rechtsstellung des Vermieters auf diesen als Wohnungseigentümer über. Damit erlischt das Miet- oder sonstige Nutzungsverhältnis durch Vereinigung. Auch bei dieser Form der Beendigung gebührt dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten ein Investitionsersatzanspruch nach § 20 Abs 5 WGG. Dieser ist -analog den geleisteten Einmalbeträgen nach § 17 WGG - bereits von der Bauvereinigung bei der Ermittlung des Barkaufpreises zu berücksichtigen und zur Ermöglichung des nach § 18 Abs 3b WGG vorzunehmenden Vergleichs auszuweisen.