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21.11.2016 Wirtschaftsrecht

OGH: Streitschlichtung nach § 8 VerG 2002 (iZm Dachverband)

Es wäre wenig sachgerecht, wenn die Schlichtungseinrichtung schon bloß deshalb nicht anzurufen und der Rechtsweg im Ergebnis sofort zulässig wäre, nur weil die Vereinsstruktur dreistufig organisiert ist; da der Kläger einen eigenen Anspruch und nicht einen des Landesfachverbands behauptet, ist es auch unproblematisch, dass dafür die Schlichtungseinrichtung des Klägers zuständig ist; die im Rekurs angesprochene Schwierigkeit zu ermitteln, welche Schlichtungseinrichtung zuständig ist, besteht daher nicht


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitschlichtung, Schlichtungseinrichtung, Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis, Dachverband
Gesetze:

 

§ 8 VerG 2002, § 1 VerG 2002

 

GZ 6 Ob 125/16z [1], 27.09.2016

 

OGH: Gem § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Vereinsstatuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen.

 

Die Nichteinhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis begründet nach nunmehr hRsp (vorläufig/befristet/temporär) Unzulässigkeit des Rechtswegs und kann daher vom Gericht auch ohne entsprechenden Einwand der Parteien von Amts wegen geprüft und aufgegriffen werden. Auszugehen ist dabei von den Angaben in der Klage, sodass der Kläger konkrete Tatsachen zu behaupten hat, aus denen sich ergibt, dass der „Rechtsweg“ in dieser Streitsache bereits offen ist. Es kommt bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs auf die Natur des geltend gemachten Anspruchs an. Ohne Einfluss ist, was der Beklagte einwendet.

 

„Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ nach § 8 Abs 1 VerG 2002 sind solche, die ihre Wurzel in einer Vereinsmitgliedschaft haben; dazu gehören Auseinandersetzungen zwischen dem Verein und Mitgliedern über Ansprüche des Vereins auf Zahlung der Mitgliedsbeiträge und auf Erbringung anderer – mit der Mitgliedschaft verknüpfter – vermögenswerter Leistungen für den Zeitraum der Vereinsmitgliedschaft. Der Begriff der Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis ist auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen. Dabei ist allein maßgeblich, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzelt. Hingegen sind nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitglieds gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied von der Formulierung „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ in § 8 Abs 1 VerG 2002 erfasst. Beruht der Anspruch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit nicht denknotwendig Voraussetzung ist, liegt seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dem zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Vertrag. Dabei ist entscheidend, auf welche Tatsachen der Kläger seinen Anspruch gründet.

 

Für den vorliegenden Fall bedeuten diese Grundsätze Folgendes:

 

Wäre die beklagte Partei nicht Mitglied beim Landesfachverband, dann hätte sie beim Kläger das Turnier nicht anmelden und als Veranstalter auftreten können. Das Vereinsverhältnis ist damit denknotwendige Voraussetzung für das Schuldverhältnis, auf dem der verfolgte Anspruch beruht, da ohne Vereinsmitgliedschaft kein Turnier veranstaltet hätte werden können. Dass der Anspruch unmittelbar aus der bloßen Vereinsmitgliedschaft selbst resultieren müsste (wie etwa die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags), ist nach der zitierten Rsp nicht erforderlich.

 

Hier liegt insofern ein Sonderfall vor, als die beklagte Partei nicht Mitglied des Klägers, sondern nur eines Mitgliedvereins des Klägers ist (Dachverband; vgl auch § 1 Abs 5 VerG 2002). Ein solcher Fall war in Bezug auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 8 VerG 2002 bislang noch nicht zu beurteilen. Weder die Materialien zum VerG 2002 noch das Schrifttum gehen auf diese Frage ein. § 8 Abs 1 VerG 2002 spricht von „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“; diese Umschreibung ist weiter als bloß „Streitigkeiten unter den Mitgliedern oder zwischen dem Verein und den Mitgliedern“. Es ist somit vom Gesetzeswortlaut gedeckt und – wie auch der vorliegende Fall zeigt – durchaus sachgerecht, den vorliegenden Sachverhalt § 8 VerG 2002 zu unterstellen: Die Streitigkeit resultiert „aus dem Vereinsverhältnis“. Es wäre auch wenig sachgerecht, wenn die Schlichtungseinrichtung schon bloß deshalb nicht anzurufen und der Rechtsweg im Ergebnis sofort zulässig wäre, nur weil die Vereinsstruktur – wie hier – dreistufig organisiert ist. Da der Kläger einen eigenen Anspruch und nicht einen des Landesfachverbands behauptet, ist es auch unproblematisch, dass dafür die Schlichtungseinrichtung des Klägers zuständig ist. Die im Rekurs angesprochene Schwierigkeit zu ermitteln, welche Schlichtungseinrichtung zuständig ist, besteht daher nicht.

 

Von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs wird lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar ist. Dies wurde etwa dann bejaht, wenn ein Vereinsbeschluss ausnahmsweise im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre. Als wegen der „Kostenhürde“ unzumutbar wurde auch die Leistung eines weder gesetzlich noch satzungsmäßig gedeckten Pauschalhonorars für die Mitglieder einer Schlichtungseinrichtung gem § 8 VerG 2002 oder eines Kostenbeitrags für weder offengelegte noch näher konkretisierte sonstige Kosten qualifiziert.

 

Mit diesen Fällen ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar. Es ist nicht einzusehen, warum sich die Schlichtungsstelle nicht auch mit der Berechtigung der Gegenforderung, die ja in unmittelbarem Zusammenhang mit der Klageforderung steht, befassen könnte.

 

In der Außerstreitstellung der Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach kann kein Verzicht auf die Anrufung der Schlichtungseinrichtung nach § 8 VerG 2002 durch den Beklagten gesehen werden, ist dieser doch kraft der eingewendeten Gegenforderung eben nicht zur Zahlung bereit. Überdies ist die Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht heilbar und unterliegt auch nicht der Disposition der Parteien. Die Möglichkeit der Parteiendisposition widerspräche dem mit § 8 Abs 1 VerG 2002 angestrebten Zweck der Gerichtsentlastung.