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07.03.2017 Zivilrecht

OGH: § 231 ABGB – Unterhaltsanspruch iZm Bachelor- und Masterstudien

Das Bachelorstudium ist als selbständiges ordentliches Studium zu betrachten, weshalb bei der Beurteilung, ab wann der Antragsteller von seiner Unterhaltspflicht enthoben ist, auf die durchschnittliche Studiendauer des Bachelorstudiums abzustellen ist; beim Masterstudium handelt es sich nicht wie beim Doktoratsstudium um ein Studium, das der Vorbereitung wissenschaftlichen Nachwuchses dient, sondern um ein Studium, welches nach dem Willen des Gesetzgebers des UG 2002 der Berufsvorbereitung dient; die Kriterien für die Zumutbarkeit der Finanzierung eines solchen Studiums sind weniger eng zu sehen als bei den Voraussetzungen zur Finanzierung eines Doktoratsstudiums; entscheidend ist, dass auch das Masterstudium noch unmittelbar der Berufsvorbildung dient


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Bachelorstudium, Masterstudium, Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit
Gesetze:

 

§ 231 ABGB

 

GZ 9 Ob 34/16i [1], 26.01.2017

 

OGH: Der Unterhaltspflichtige hat zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung seines Kindes beizutragen, wenn dieses die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, es ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Unterhaltspflichtigen nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist. Ein den Lebensverhältnissen der Eltern und den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium schiebt somit den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus.

 

Maßgeblich für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit ist die durchschnittliche Dauer des Studiums, nicht die kürzestmögliche Studiendauer. Der Anspruch auf Unterhalt erlischt dabei auch dann nicht, wenn die durchschnittliche Studiendauer erreicht wird, jedoch besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium gerechtfertigt erscheinen lassen.

 

Von der Rsp wurde teilweise zwischen Studien, die in Studienabschnitte gegliedert sind und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, differenziert. Für Studien mit einzelnen Studienabschnitten wird teilweise die Auffassung vertreten, dass der Unterhaltspflichtige nicht schon deshalb von seiner Unterhaltspflicht zur Gänze befreit ist, weil das Kind in einzelnen Abschnitten der als angemessen zu betrachtenden Studiendauer das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben hat. Er sei auch dann bis zum Ende der durchschnittlichen Studiendauer zu Unterhaltszahlungen verpflichtet, wenn wahrscheinlich sei, dass das Kind das Studium nicht innerhalb dieses Zeitraums beenden werde, weil nicht einzusehen ist, warum der Unterhaltspflichtige schon deshalb in seiner Unterhaltspflicht zur Gänze befreit werden müsste, weil das Kind in einzelnen Abschnitten der als angemessen zu betrachtenden Studiendauer das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben habe, zumal er für diesen Abschnitt dann ohnehin keinen Unterhalt zu leisten habe. Damit wird eine grundsätzliche Unterhaltspflicht jedenfalls für die durchschnittliche Studiendauer angenommen, wobei eine Befreiung für jene Perioden zusteht, in denen das Kind nach einer ex post-Betrachtung nicht ernsthaft und zielstrebig studierte.

 

Fehlt eine Gliederung in Studienabschnitte, so muss die erforderliche Kontrolle des periodischen Studienfortgangs jedenfalls durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen erfolgen.

 

Aber auch bei den in Studienabschnitten gegliederten Studien wurde vertreten, dass eine laufende Überprüfung der Zielstrebigkeit der Betreibung des Studiums keineswegs ausgeschlossen sei. Die Gegenauffassung würde dazu führen, dass man dem Unterhaltsberechtigten zu Lasten des Unterhaltspflichtigen für die teilweise erhebliche Dauer eines Studienabschnitts einen völligen Freibrief ausstellen würde.

 

Im konkreten Fall kommt es aber auf den Studienerfolg in „einzelnen Abschnitten“ deshalb nicht an, weil entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Studiendauer für das Bachelorstudium und das Masterstudium getrennt zu beurteilen sind.

 

Aus § 51 Abs 2 Z 4 und 5 des UG 2002 BGBl I 2002/120 ergibt sich, dass Bachelor- und Masterstudium jeweils ordentliche Studien sind, wobei Bachelorstudien als ordentliche Studien definiert werden, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten dienen, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern. Diese Studien erfüllen die Anforderungen des Art 11 lit d der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, 2005/36/EG. Das Bachelorstudium ist daher als selbständiges ordentliches Studium zu betrachten, weshalb bei der Beurteilung, ab wann der Antragsteller von seiner Unterhaltspflicht enthoben ist, auf die durchschnittliche Studiendauer des Bachelorstudiums abzustellen ist.

 

Der von den Vorinstanzen zur Begründung der Zusammenrechnung herausgestrichenen Möglichkeit, Prüfungen für das Masterstudium schon während des Bachelorstudiums ablegen zu können, kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Zwar ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass bei einem derart „vorweggenommenen“ Masterstudium eine Verlängerung der Dauer des Bachelorstudiums als berechtigt angesehen werden kann, die Antragsgegnerin hat jedoch nach ihrem eigenen Vorbringen von dieser Möglichkeit gar keinen Gebrauch gemacht, wie sich auch aus den erreichten ECTS-Punkten ergibt. Zu einer Überschneidung von Bachelor- und Masterstudium kam es erstmals im Wintersemester 2014/2015. Die Dauer des Bachelorstudiums steht daher in keinem Zusammenhang mit Bemühungen im Rahmen des Masterstudiums.

 

Es ist daher auch hier von der durchschnittlichen Studiendauer von 8,8 Semestern auszugehen. Der Enthebungsanspruch des Antragstellers bezieht sich zur Gänze auf danach liegende Zeiträume.

 

Das Verfahren hat entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch keine Umstände ergeben, die eine Überschreitung der durchschnittlichen Studiendauer rechtfertigen könnten. Das Nichtbestehen einer Prüfung stellt keinen solchen Grund dar, richtet sich doch der Unterhaltsanspruch nicht nach der Regelstudiendauer, sondern der durchschnittlichen Studiendauer. Die Antragsgegnerin selbst verweist darauf, dass eine Vielzahl ihrer Kommilitonen diese Prüfung ebenfalls nicht bestanden hat, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass solche Negativergebnisse ohnehin Einfluss auf die Durchschnittsstudiendauer haben. Darüber hinaus ergibt sich aus den Feststellungen, dass trotz der mit einem solchen negativen Prüfungserfolg verbundenen Verzögerung des Studiums das Ablegen von Prüfungen in Wahlfächern und Softskills ungehindert möglich ist.

 

Auch die von der Antragsgegnerin angesprochene psychische Beeinträchtigung durch das belastete Verhältnis zum Vater wird erst mit dem Versuch der Kontaktaufnahme und anschließender Antragstellung im Jahr 2014 begründet. Die Einhaltung der durchschnittlichen Studiendauer hätte jedoch eine Beendigung des Studiums bereits im Wintersemester 2012/2013 bedeutet.

 

Da aber im Regelfall der Anspruch auf Unterhalt erlischt, wenn die durchschnittliche Studiendauer erreicht wird und nicht besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium gerechtfertigt erscheinen lassen, derartige Gründe wie ausgeführt im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden konnten, ist daher davon auszugehen, dass jedenfalls ab Dezember 2013, also dem vom Revisionsrekurs umfassten Zeitraum, kein Unterhaltsanspruch mehr bestand.

 

Es entspricht nun zwar der Rsp, dass auch das Masterstudium noch unmittelbar der Berufsvorbildung dient, weshalb die entwickelten Anforderungen für das Doktoratsstudium nicht in voller Strenge darauf übertragen werden können. Entscheidend ist vielmehr, dass auch das Masterstudium noch unmittelbar der Berufsvorbildung dient. Im Fall der Antragsgegnerin, die bereits beim Bachelorstudium die durchschnittliche Studiendauer nicht unbeträchtlich überschritten hat, stellt sich aber unter Berücksichtigung der bei Beurteilung der Unterhaltspflicht zur Orientierung heranzuziehenden Verhältnisse einer „intakten Familie“ die Frage der Zumutbarkeit einer Finanzierung des Masterstudiums nicht. Die Antragsgegnerin hat erst 15 Semester nach dem Schulabschluss (2 Semester Theaterwissenschaften und 13 Semester Architektur) ein (Bachelor-)Studium erfolgreich absolviert. Nach ihren eigenen Angaben plant sie ihr Masterstudium erst im Sommer 2017 abzuschließen, geht also auch dabei schon in der Vorausschau als Minimum von der Durchschnittsstudiendauer aus, weshalb insgesamt nicht von der im Hinblick auf die bisherige Ausbildungsdauer zu fordernden besonderen Zielstrebigkeit im weiteren Studienverlauf ausgegangen werden kann.