OGH > Zivilrecht
17.04.2017 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, welche Erhaltungspflichten den Vermieter bei Vorliegen eines ernsten Schadens des Hauses infolge undichter, vom Mieter errichteter Gasleitungen treffen

Bei Explosionsgefahr infolge undichter Gasinnenleitungen sind die Voraussetzungen der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG verwirklicht; der Differenzierung der Erhaltungspflicht danach, ob die Gasleitungen vom Mieter selbst hergestellt oder vom Vermieter bereitgestellt wurden, bedarf es nicht


Schlagworte: Mietrecht, Erhaltungspflicht des Vermieters, ernster Schaden, undichte Gasleitungen, vom Mieter errichtet
Gesetze:

 

§ 3 MRG

 

GZ 5 Ob 237/16p [1], 01.03.2017

 

OGH: Es ist nicht umstritten, dass das Mietverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt.

 

Die zwingende Verpflichtung des Vermieters, den Mietgegenstand selbst zu erhalten (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG) erfasst nur die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung oder die Übergabe eines zu vermietenden Mietgegenstands in brauchbarem Zustand.

 

Die Rsp des OGH nimmt einen nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG vom Vermieter zu behebenden ernsten Schaden des Hauses auch dann an, wenn der Weiterbetrieb von fehlerhaften Elektro-, Gas- oder Wasserleitungen im Inneren des Bestandobjekts die Gefahr von Feuer-, Explosions- und Wasserschäden in sich birgt. Nach LuRsp muss es sich dabei aber um eine aktuelle Gefährdung handeln. Ob eine Feuer- oder Explosionsgefahr als Folge fehlerhafter Leitungen die Erhaltungspflicht des Vermieters auch nach dem Tatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG idF der WRN 2006 (erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bewohner des Mietgegenstands) auslöst, ist nicht relevant.

 

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen musste die Gaszufuhr vom zuständigen Energieversorger gesperrt werden, weil die im Bestandobjekt verlaufende Gasleitung undicht war. Dass zuvor Explosionsgefahr bestand, wie die Vorinstanzen ihrer Beurteilung zugrunde legten, wird in dritter Instanz nicht in Zweifel gezogen.

 

Das Rekursgericht verneint eine Erhaltungspflicht des Vermieters hinsichtlich der vom Mieter selbst hergestellten Gasinnenleitungen. Die zu RIS-Justiz RS0021048 zitierte Rsp des OGH stützt seinen Standpunkt allerdings nicht. Danach zieht das Einverständnis der Vermieterin mit der Gaszuleitung und der Benützung von Gasgeräten durch die Mieterin allein noch nicht die Pflicht der Vermieterin nach sich, die in der Folge schadhaft gewordene Gasleitung auf ihre Kosten erneuern zu lassen.

 

Die im eben genannten Rechtssatz dokumentierten Entscheidungen betreffen jedoch nicht die zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG.

 

Zu 5 Ob 682/83 war ein Anspruch des Mieters, dessen Mietverhältnis nicht dem „Mieterschutz“ unterlag, auf Ersatz von Aufwendungen für die Herstellung von Gaszuleitungen nach §§ 1096, 1097, 1036 ABGB zu beurteilen. Die Entscheidung 5 Ob 38/85 bezieht sich auf die Erhaltung eines, in Sondernutzung von Mietern stehenden und daher nicht als gemeinsame Wärmeversorgungsanlage nach § 3 Abs 2 Z 3 MRG anzusehenden, defekt gewordenen Heizkessels ohne Indiz für Explosions- oder Feuergefahr. In dem zu 10 Ob 1608/95 entschiedenen Fall eines mangelhaften Heizkessels war § 3 MRG nicht anwendbar.

 

Die Undichtheit der Gasinnenleitung stellte aufgrund bestehender Explosionsgefahr einen ernsten Schaden nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG dar. Die Erhaltungspflicht des Vermieters wird durch die Sperre der Gaszufuhr nicht erfüllt, auch wenn dadurch die unmittelbare Explosionsgefahr gebannt wird. Ernste Schäden des Hauses müssen (im Rahmen der ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft) behoben werden. Wenn schon die Beseitigung eines schadhaften Radiators als Bestandteil einer zentralen Wärmeversorgungsanlage (§ 3 Abs 2 Z 3 MRG) nach der Rsp keine Schadensbehebung darstellt, muss dies umso mehr für die hier vorgenommene Sperre der Gaszufuhr durch das Energieversorgungsunternehmen gelten.

 

Die Erhaltungspflicht des Vermieters (auch) nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht gegenüber allen Mietern des Hauses und nicht nur gegenüber dem Mieter des betroffenen Objekts. Ein Interessenausgleich lässt sich nur über das Schadenersatzrecht herstellen. Fragen der Verursachung und des Verschuldens am Entstehen eines ernsten, die Erhaltungspflicht des Vermieters auslösenden Schadens, sind in einem außerstreitigen Verfahren zur Durchsetzung dieser Erhaltungspflicht grundsätzlich nicht zu prüfen. Dem Vermieter stehen Einwendungen gegen den Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nur aus den gesetzlichen Regelungen über die Erhaltungspflicht nach § 3 MRG zu. Der Einwand, der Mieter habe selbst die Erhaltungspflicht (iZm Änderungen des Bestandgegenstands nach § 9 MRG) übernommen, kann daher im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 MRG nicht erhoben werden.

 

Die WRN 2015, BGBl I 2015/100, erweiterte mit § 3 Abs 2 Z 2a MRG die Erhaltungspflicht des Vermieters im Vollanwendungsbereich um Arbeiten, die zur Erhaltung von mitvermieteten Heizthermen, mitvermieteten Warmwasserboilern und sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten in den Mietgegenständen des Hauses erforderlich sind. Korrespondierend wurde die in § 8 Abs 1 Z 1 MRG geregelte Duldungspflicht des Hauptmieters ausgedehnt.

 

Diese Bestimmungen sind nach der Übergangsregelung des § 49g Abs 2 MRG idF des WRN 2015 auch in gerichtlichen Verfahren anzuwenden, die am 1. 1. 2015 bereits anhängig geworden, aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sind.

 

Die im Schrifttum behandelte Frage, ob diese Neuregelung nicht nur Therme, Boiler und eigentliche Wärmebereitungsgeräte, sondern auch andere Teile einer objektinternen Wärmeversorgungsanlage, wie zB Heizkörper, Rohrzuleitungen oder Ventile, erfasst , muss hier jedoch nicht beantwortet werden. Dasselbe gilt für die Qualifikation einer vom Mieter selbst hergestellten Gasleitung als „mitvermietet“.

 

Der Gesetzgeber der WRN 2015 begründete den Bedarf nach der Neuregelung mit der höchstgerichtlichen Judikatur, wonach der Vermieter im Vollanwendungsbereich des MRG während des Mietverhältnisses aufgetretene Mängel im Inneren des Mietobjekts – von ernsten Schäden des Hauses und erheblichen Gesundheitsgefährdungen abgesehen – nicht beheben müsse. Die bestehende Haftung des Vermieters sollte um eine Aufgabe erweitert werden.

 

Ist der Vermieter nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG zwingend zur Behebung eines im Mietgegenstand aufgetretenen ernsten Schaden des Hauses verpflichtet, bedarf es keiner Erweiterung seiner Erhaltungspflicht, wie sie die WRN 2015 im Vollanwendungsbereich mit § 3 Abs 2 Z 2a MRG vorgenommen hat.

 

Bei Explosionsgefahr infolge undichter Gasinnenleitungen sind die Voraussetzungen der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG verwirklicht. Der Differenzierung der Erhaltungspflicht danach, ob die Gasleitungen vom Mieter selbst hergestellt oder vom Vermieter bereitgestellt wurden, bedarf es nicht.