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26.09.2017 Zivilrecht

OGH: Antritt einer Lehrstelle an einem Monatsersten – maßgeblicher Zeitpunkt für die Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen

Eine Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse wegen Eigeneinkommens hat erst mit Ablauf desjenigen Monats zu erfolgen, in dem die erste Lohnauszahlung erfolgt


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsvorschuss, Herabsetzung, maßgeblicher Zeitpunkt, Lehrstelle
Gesetze:

 

§ 19 UVG, § 20 UVG, § 231 ABGB

 

GZ 10 Ob 38/17m [1], 18.07.2017

 

OGH: Nach § 20 Abs 2 UVG ist die Einstellung gegebenenfalls rückwirkend mit Ablauf des Monats anzuordnen, in dem der Einstellungsgrund eingetreten ist. In der – die Einstellung von Unterhaltsvorschüssen nach § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG betreffenden – Entscheidung 10 Ob 23/14a hat sich der OGH bereits mit der Frage der Auswirkungen eines am Ersten eines Monats angetretenen Lehrverhältnisses auf den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss befasst. Es wurde ausgeführt, dass das materielle Erlöschen der Unterhaltspflicht sowohl bei Titelvorschüssen als auch bei Richtsatzvorschüssen zur Einstellung der Unterhaltsvorschüsse führe. Sei daher der Unterhaltsberechtigte aufgrund eines entsprechenden Eigeneinkommens als selbsterhaltungsfähig anzusehen und falle die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht materiell weg, liege ein Einstellungsgrund iSd § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG vor. Die Formulierung, die Einstellung sei rückwirkend mit Ablauf des Monats anzuordnen, in dem der Einstellungsgrund eingetreten sei, werde so interpretiert, dass bei Eintritt des Einstellungsgrundes sozusagen spätestens mit 0 Uhr des Monatsersten bereits zu diesem Monatsersten die Einstellung zu verfügen sei. Lagen etwa die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung materiell von vornherein nicht vor, sei demnach die Einstellung bereits ab dem ersten Tag der Vorschussgewährung anzuordnen. Werde aber ein Lehrverhältnis mit dem Monatsersten angetreten, die Lehrlingsentschädigung jedoch erstmals am 30. dieses Monats ausgezahlt, sei der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit erst mit Ablauf des Monats anzunehmen, weil eine Selbsterhaltungsfähigkeit idR erst dann eingetreten sei, wenn das Kind über die für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel verfüge. Eine Einstellung der Vorschüsse wegen Eigeneinkommens habe daher erst mit Ablauf desjenigen Monats zu erfolgen, in dem die erste Lohnauszahlung getätigt werde. Eine ungerechtfertigte Doppelversorgung des Kindes sei nicht vorgelegen.

 

Gegenstand der – zum Unterhaltsrecht ergangenen – Entscheidung 10 Ob 30/15g war die Frage der Anrechnung einer vom Unterhaltsberechtigten tatsächlich bezogenenen Lehrlingsentschädigung auf seinen Geldunterhaltsanspruch. Die Aussagen dieser Entscheidung lassen sich dahin zusammenfassen, dass das Datum der Auszahlung der Lehrlingsentschädigung an den Unterhaltsberechtigten relevant sei, weil im Unterhaltsrecht die tatsächliche Verfügbarkeit der Mittel zur Deckung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten im Vordergrund stehe; der Unterhaltsberechtigte solle „keinen Mangel leiden“. Als weiteres Argument wurde die Parallelität des Unterhaltsrechts mit dem Unterhaltsvorschussrecht ins Treffen geführt und unter Hinweis auf § 19 Abs 2 UVG davon ausgegangen, dass sich ein Änderungsgrund (etwa das Zurverfügungstellen der Mittel), der nicht am Monatsersten eintritt, erst ab dem folgenden Monatsersten auswirke.

 

Im vorliegenden Fall ist Verfahrensgegenstand nicht die Einstellung, sondern die Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse. Nach § 19 Abs 1 Satz 2 UVG ist die Herabsetzung gegebenenfalls rückwirkend, mit dem auf den Eintritt des Herabsetzungsgrundes folgenden Monatsersten anzuordnen.

 

Nach der bisherigen Rsp kann sowohl die Herabsetzung als auch die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse gegebenenfalls auch rückwirkend angeordnet werden, jedoch in beiden Fällen – bei unterschiedlicher, aber gleichbedeutender Diktion – erst mit Ablauf des Monats, in dem der Herabsetzungs- bzw Einstellungsgrund eingetreten ist (§ 19 Abs 1 UVG und § 20 Abs 2 UVG). Eine Herabsetzung nach § 19 UVG ist demnach – ähnlich wie die gänzliche Einstellung – monatsbezogen ab Eintritt des Grundes möglich, etwa nach rückwirkender Unterhaltsherabsetzung oder nach erfolgreichem Antrag nach § 35 EO. Bis zum maßgeblichen Monatsletzten gelten Vorschüsse als rechtmäßig bezogen und können keinen Anlass für einen Einbehalt oder Rückersatz nach § 22 UVG bilden.

 

Die in der Entscheidung 10 Ob 23/14a enthaltenen Aussagen zum Zeitpunkt der Einstellung von Unterhaltsvorschüssen (§ 20 UVG) wegen Antritt eines Lehrverhältnisses am Monatsersten und erst am Letzten des Monats erfolgender erstmaliger Auszahlung der Lehrlingsentschädigung sind demnach sinngemäß auch auf den Zeitpunkt der Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen (§ 19 UVG) zu übertragen.

 

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass eine Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse erst mit Ablauf des Monats September 2016 auszusprechen war.