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08.01.2018 Zivilrecht

OGH: § 1497 ABGB – zur Unterbrechungswirkung des vom Geschädigten eingebrachten Privatbeteiligtenanschlusses

Es entspricht der ganz hA, dass auch der Anschluss als Privatbeteiligter (§ 67 Abs 2 und 3 StPO) in einem Strafverfahren, das sich gegen denjenigen richtet, der sich nun auf die Verjährung beruft, zur Verjährungsunterbrechung führt; maßgeblich ist nicht der Rechtsgrund, auf den ein Begehren gestützt wird, sondern ob im Straf- und im Zivilverfahren der Schädiger vom Berechtigten wegen des gleichen vermögensrechtlichen Nachteils belangt wurde; liegt dem Strafverfahren derselbe Lebenssachverhalt zugrunde wie dem Zivilverfahren, ist es für die Frage der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Privatbeteiligtenanschlusses nicht maßgeblich, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vorliegt bzw ob die angeklagte Straftat überhaupt begangen wurde


Schlagworte: Unterbrechung der Verjährung, Schadenersatzrecht, Privatbeteiligung, vorsätzliches / fahrlässiges Handeln, derselbe Lebenssachverhalt
Gesetze:

 

§ 1497 ABGB, § 67 StPO

 

GZ 10 Ob 45/17s [1], 14.11.2017

 

OGH: § 1497 ABGB bestimmt, dass Ersitzung und Verjährung unterbrochen werden, wenn der Berechtigte seinen Gegner „belangt“ (idR: gegen den Gegner Klage bei Gericht erhebt) und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Mit der Verwendung des Begriffs „Belangen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass die gerichtliche Geltendmachung auch auf andere Art als durch Klage erfolgen kann. Unter der Prämisse gehöriger Fortsetzung tritt die Unterbrechungswirkung bereits mit Gerichtshängighkeit ein (§ 232 Abs 1 Satz 2 ZPO); Streitanhängigkeit ist nicht erforderlich. Aus diesem Grund schadet auch die Unzustellbarkeit der Klage an den Beklagten nicht, weil eben die Überreichung der Klage bei Gericht maßgeblich ist.

 

Es entspricht der ganz hA, dass auch der Anschluss als Privatbeteiligter (§ 67 Abs 2 und 3 StPO) in einem Strafverfahren, das sich gegen denjenigen richtet, der sich nun auf die Verjährung beruft, zur Verjährungsunterbrechung führt. Gerechtfertigt werden kann dies mit der Konzeption des § 232 Abs 1 Satz 2 ZPO; diese Bestimmung lässt die Unterbrechungswirkung mit dem Anhängigmachen eines Anspruchs bei Gericht ausreichen, dies selbst dann, wenn die Klage an den Beklagten unzustellbar ist. Für die Unterbrechung der Verjährung genügt es, dass der Kläger die klagsgegenständlichen Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ausreichend konkretisiert und individualisiert im Strafverfahren als Privatbeteiligter geltend macht. Es muss sich nur um einen vermögensrechtlichen Schaden handeln, der unmittelbar oder mittelbar durch die strafbare, von Amts wegen zu verfolgende Handlung entstanden ist. Eine Beschränkung auf den „tatbestandsrelevanten Schaden“ besteht nicht; es genügt, wenn die Straftat zur privatrechtlichen Schädigung des Verletzten führt. Gegen den Täter muss nur irgendein aus der strafbaren Tat hervorgegangener privatrechtlicher Anspruch gestellt werden. Dabei reicht es aus, wenn das Bestehen eines aus der Straftat entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig behauptet wird und sich ein Zusammenhang zwischen Tat und Anspruch ableiten lässt. Erkennbar muss sein, weswegen der Privatbeteiligte Ersatz verlangt. Maßgeblich ist nicht der Rechtsgrund, auf den ein Begehren gestützt wird, sondern ob im Straf- und im Zivilverfahren der Schädiger vom Berechtigten wegen des gleichen vermögensrechtlichen Nachteils belangt wurde.

 

Die Revisionswerberin vertritt den Standpunkt, soweit sich die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche auf fahrlässige Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten stützten, habe die Anschlusserklärung im Strafverfahren keine Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt, weil diese Ansprüche nicht aus einer Straftat abgeleitet werden könnten.

 

Für die Frage, inwieweit sich die mit Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren erhobenen Ansprüche mit dem Klagebegehren im Zivilrechtsverfahren decken müssen, ist nicht der Rechtsgrund maßgeblich, aufgrund dessen eine Forderung erhoben wird, sondern ob vom Geschädigten im Straf- und im Zivilverfahren der gleiche vermögensrechtliche Nachteil geltend gemacht wird, also der Schädiger iSd § 1497 ABGB vom Berechtigten wegen eines ihm zustehenden Rechts belangt wurde. Maßgeblich ist die Identität der im Privatbeteiligtenanschluss und im Zivilverfahren geltend gemachten Ansprüche. Im Wege des Privatbeteiligtenanschlusses können daher auch außertatbestandsmäßige Folgen geltend gemacht werden.

 

Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seiner Klage exakt den bereits im Privatbeteiligtenanschluss geltend gemachten Betrag von 24.384,70 EUR für den ihm nach Verkauf der Wertpapiere verbliebenen Verlust eingeklagt und dazu ua vorgebracht, er sei durch den (den beiden Beklagten zurechenbaren) Berater und die Werbeunterlagen über wesentliche Umstände betreffend die Wertpapiere unrichtig informiert und in die Irre geführt worden. Eventualiter stützt er seine Klage auch auf vorsätzliche (arglistige) Irreführung. Es sind somit dieselben Handlungen zu beurteilen, die im Strafverfahren im Fall einer Verurteilung (etwa wegen der §§ 146 ff StGB) als vorsätzlich zu qualifizieren sind, während im Zivilprozess für eine Haftung aus Anlageberatung die Außerachtlassung der notwendigen Sorgfalt ausreicht. Liegt dem Strafverfahren derselbe Lebenssachverhalt zugrunde wie dem Zivilverfahren, ist es für die Frage der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Privatbeteiligtenanschlusses nicht maßgeblich, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vorliegt bzw ob die angeklagte Straftat überhaupt begangen wurde. Auch der strafrechtliche Tatbegriff orientiert sich am konkreten Lebenssachverhalt (dem der Anklage zugrunde liegenden historischen Geschehen) und nicht an den daraus allenfalls abzuleitenden Tatbeständen.

 

Letztlich wird auch mit dem Vorbringen, der Privatbeteiligtenanschluss entfalte keine die Verjährung unterbrechende Wirkung, weil es sich bei den (ebenfalls Gegenstand der Anzeige bildenden) §§ 48c und 48d BörseG (aF) um rein verwaltungsstrafrechtliche (und nicht gerichtliche) Straftatbestände handle, keine Fehlbeurteilung aufgezeigt. Die Vorinstanzen haben die Haftung der Erstbeklagten ohnedies nur auf Berater- und Prospekthaftung, nicht aber auf Verstöße gegen die Bestimmungen der §§ 48c und 48d BörseG (aF) gestützt.

 

Die Ansicht des Berufungsgerichts, aufgrund der im vorliegenden Fall gegebenen konkreten Umstände seien dem Privatbeteiligtenanschluss dieselben rechtlichen Wirkungen wie einer Klage zuzuerkennen, sodass der Verjährungseinwand der Erstbeklagten zu verwerfen sei, weicht von den eingangs wiedergegebenen Grundsätzen der Rsp nicht ab.