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30.01.2018 Zivilrecht

OGH: Verdienstentgang aus einem (in Österreich verbotenen) Pyramidenspiel als ersatzfähiger Schaden? (hier: nach StEG 1969)

Ein Vermögensvorteil, der bei rechtstreuem Verhalten nicht erlangbar gewesen wäre, lässt sich auch nicht auf dem Umweg über die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruchs erzielen; wenn gesetzliche Normen ein bestimmtes Verhalten nicht nur verbieten, sondern sogar mit der Sanktion gerichtlicher Strafbarkeit belegen, werden dadurch Grundwertungen der Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht; es kann dem österreichischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er hätte eine – weitgehend verschuldensunabhängige – Ersatzpflicht des Staats auf unterbliebene Gewinne aus derartigen im Ausland begangenen Handlungen erstrecken wollen, auch wenn sie dort möglicherweise erlaubt sind; soweit daher der Kläger sein Verdienstentgangsbegehren auf das von seiner tschechischen Gesellschaft praktizierte Pyramidenspiel stützt, ist ein solcher Verdienstentgang nach den dargelegten Wertungen des österreichischen Rechts, das Ansprüche aus einer solchen strafgesetzwidrigen Tätigkeit pönalisiert, die dem Schutz von Spielteilnehmern dient, im Rahmen des § 1 StEG 1969 nicht ersatzfähig


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftentschädigung, Verdienstentgang, rechtwidriges Verhalten, Pyramidenspiel
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1323 ABGB, § 1325 ABGB, § 1 StEG 1969, § 1293 ABGB, § 168 StGB, § 1 GSpG

 

GZ 1 Ob 190/17y [1], 29.11.2017

 

OGH: Für die Frage, ob der Entgang unerlaubter Vorteile zu ersetzen ist, sind (nach österreichischem Recht) Normzwecküberlegungen maßgeblich. Nicht ersatzfähig ist ein Gewinn erst, wenn ihn der Geschädigte in gesetzlich erlaubter Weise nicht hätte erzielen können. Nur in einem solchen Fall käme es nämlich dazu, dass auf dem Umweg des Schadenersatzes ein Vorteil erlangt würde, den ein Gesetz verboten hat. Ein Vermögensvorteil, der bei rechtstreuem Verhalten nicht erlangbar gewesen wäre, lässt sich auch nicht auf dem Umweg über die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruchs erzielen. Abzustellen ist darauf, ob der Verdienst – trotz strafrechtlichen Verbots der Tätigkeit – klagbar wäre oder nicht. Ist die Einkommensquelle inhaltlich derart verpönt, dass eine Klagbarkeit zu verneinen ist, also dann, wenn jene Norm, die die Tätigkeit für „unerlaubt“ erklärt, auch die Nichtigkeit der gegen sie verstoßenden Geschäfte anordnet, weil der Zweck der Norm dies erfordert, kann sie auch nicht Grundlage eines Schadenersatzanspruchs sein.

 

Ginge es um zu Erwerbszwecken in Österreich ausgeübter Tätigkeiten wie das Betreiben, Propagieren oder gewerbsmäßige Fördern von Ketten- oder Pyramidenspielen, käme ein Ersatz des Verdienstentgangs zweifellos nicht in Betracht, dient doch das Verbot solcher sozialschädlicher Vorgänge dem Schutz von Teilnehmern vor erheblichen Schäden. Speziell die am 1. 3. 1997 in Kraft getretene Strafbestimmung des § 168a StGB (Art XI Abs 1 StRÄG 1996, BGBl 1996/762; Verbot von Ketten- oder Pyramidenspielen) richtet sich gegen Gewinnerwartungssysteme, die nach dem Schneeballsystem organisiert sind und mit der Erschöpfung des Interessentenkreises in sich zusammenbrechen, wodurch zahlreiche Teilnehmer finanzielle Schäden erleiden können. Zuzustimmen ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das von der tschechischen Gesellschaft betriebene – vom Kläger nicht bestrittene – Pyramidenspiel im österreichischen Rechtsbereich verboten und daher nichtig wäre. Nicht nur für den Zivilrechtsbereich, sondern auch in Strafsachen sprach der OGH bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 168a StGB aus, dass es sich bei Ketten- oder Pyramidenspielen um Glücksspiele iSd § 168 StGB handelt. Nach österreichischem Rechtsverständnis könnte das, was auf der Grundlage eines unwirksamen Glücksvertrags gezahlt wurde, zurückgefordert werden. Demnach erzeugen im Inland verbotene Spiele nicht einmal eine Naturalobligation. Wenn gesetzliche Normen ein bestimmtes Verhalten nicht nur verbieten, sondern sogar mit der Sanktion gerichtlicher Strafbarkeit belegen, werden dadurch Grundwertungen der Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht. Es kann dem österreichischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er hätte eine – weitgehend verschuldensunabhängige – Ersatzpflicht des Staats auf unterbliebene Gewinne aus derartigen im Ausland begangenen Handlungen erstrecken wollen, auch wenn sie dort möglicherweise erlaubt sind. Soweit daher der Kläger sein Verdienstentgangsbegehren auf das von seiner tschechischen Gesellschaft praktizierte Pyramidenspiel stützt, ist ein solcher Verdienstentgang nach den dargelegten Wertungen des österreichischen Rechts, das Ansprüche aus einer solchen strafgesetzwidrigen Tätigkeit pönalisiert, die dem Schutz von Spielteilnehmern dient, im Rahmen des § 1 StEG 1969 nicht ersatzfähig.