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20.02.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob zugunsten eines Mindestanteils nach dem WEG 2002 eine Grunddienstbarkeit an einer fremden Liegenschaft begründet werden kann

Die Sonderstellung des Wohnungseigentums beruht auf der Einheit von dinglichem Nutzungsrecht an einem wohnungseigentumsfähigen Objekt mit dem im Mindestanteil ausgedrückten ideellen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft; durch den Mindestanteil wird daher – wie auch im schlichten Miteigentum – ebenfalls der Miteigentumsanteil im Verhältnis zum Ganzen ausgedrückt, sodass auch im Wohnungseigentum die Konstruktion über das ideelle Miteigentum im Vordergrund steht; damit kommt der Grundsatz der Unteilbarkeit von Grunddienstbarkeiten hier insoweit zum Tragen, als auch ein Mindestanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, im Verhältnis zu einer fremden Liegenschaft nicht herrschendes Gut sein kann


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Servitut, Grunddienstbarkeit, Mindestanteil, herrschendes Gut
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 2 WEG 2002, § 11 WEG 2002

 

GZ 5 Ob 217/17y [1], 21.12.2017

 

OGH: Grunddienstbarkeiten sind grundsätzlich unteilbar. Sie können gem § 479 Satz 1 ABGB auch als persönliche Dienstbarkeiten ausgestaltet und damit nur zugunsten einer individuell bestimmten (auch juristischen) Person begründet werden (unregelmäßige Dienstbarkeiten). Für das schlichte Miteigentum gilt, dass ein ideeller Miteigentümer keine Grunddienstbarkeit erwerben und ein ideeller Miteigentumsanteil als solcher nicht herrschendes Gut sein kann.

 

Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG 2002). Es stellt im Verhältnis zum schlichten Miteigentum kein quantitatives „Mehr“, sondern ein Aliud dar. Das ist Folge davon, dass das Nutzungsrecht mit dem Miteigentumsanteil (Mindestanteil) untrennbar verbunden (§ 11 WEG 2002) und nur als Einheit Gegenstand des Rechtsverkehrs ist.

 

Auch der einzelne Wohnungseigentümer ist Miteigentümer der gesamten Liegenschaft. Sein ideelles Miteigentum wird im Mindestanteil ausgedrückt. Mit dem ideellen Miteigentum (Mindestanteil) ist das ausschließliche, servitutsähnliche Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung verbunden. Diese Befugnis umfasst auch das Recht, den Mindestanteil mit Rechten eines Dritten oder eines anderen Wohnungseigentümers zu belasten.

 

Nach der Rsp ist auch die Belastung des Mindestanteils mit einer Grunddienstbarkeit zulässig. Diese Judikatur geht auf die E 5 Ob 70/91 zurück. Darin hat der OGH ausgesprochen, dass zwar der Mindestanteil eines Wohnungseigentümers mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden kann, dem einzelnen Wohnungseigentümer die Belastung seines Mindestanteils mit einer Grunddienstbarkeit aber nur soweit möglich ist, als sich ihr Ausübungsbereich auf sein ausschließliches Nutzungs- und Verfügungsrecht beschränkt. Die in dieser Entscheidung unter Bezugnahme auf die deutsche LuRsp getätigte Aussage, dass herrschendes und dienendes „Grundstück“ Wohnungseigentumsrechte derselben Gemeinschaft sein können, wird durch den Beisatz relativiert, dass diese (Anm.: die Dienstbarkeit) zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen mit Wohnungseigentum verbundenen Mindestanteil bestellt werden könne, und damit offensichtlich auf eine unregelmäßige Dienstbarkeit abzielte.

 

Ausgehend davon, dass der Mindestanteil eines Wohnungseigentümers mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden kann, hat der OGH dann in der E 5 Ob 10/96 die Begründung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des oder der Eigentümer eines Mindestanteils bejaht. Soweit darin mit Bezug auf die E 5 Ob 70/91 auch betont wurde, dass dieser (der Mindestanteil) insoweit wie eine Liegenschaft behandelt wird, kommt darin lediglich zum Ausdruck, dass der dadurch bestimmte Teil der Gesamtliegenschaft – in den Grenzen der durch das Wohnungseigentum bestimmten ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrechte – dienendes Gut sein kann. Dass zugunsten von Mindestanteilen zulasten einer fremden Liegenschaft eine Grunddienstbarkeit begründet werden könnte, wie das Berufungsgericht ua mit Hinweis auf diese Entscheidung meint, kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Bejaht wurde in dieser Entscheidung lediglich die Begründung einer unregelmäßigen Servitut.

 

In der E 3 Ob 84/97t hatte der OGH über die rechtliche Möglichkeit der Einverleibung einer Grunddienstbarkeit zugunsten von Wohnungseigentümern abzusprechen und nahm dabei Bezug auf die bereits genannten Vorjudikate. Entscheidungsgegenstand war daher ebenfalls eine unregelmäßige Servitut zugunsten der Eigentümer von Mindestanteilen. Die Formulierung, dass „die Mindestanteile, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, nicht nur mit (Personal-)Dienstbarkeiten belastet werden können, sondern dass auch zu ihren Gunsten auf fremden Grundstücken Dienstbarkeiten begründet werden können“, kann daher, soweit sie auch die Möglichkeit einer Realservitut an einer fremden Liegenschaft erfasst, nur als obiter dictum aufgefasst werden. Bei näherer Betrachtung versteht sie sich aber ohnedies nicht als selbständige Aussage, sondern als (missverständliche) Wiedergabe der E 5 Ob 10/96, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf diese Entscheidung ergibt.

 

Dem Berufungsgericht ist zuzugestehen, dass sich die wiedergegebene Formulierung auch als Beisatz [T3] im Rechtssatz RIS-Justiz RS0082754 wiederfindet, auf den in Folgeentscheidungen, teils mit der Einschränkung, dass innerhalb der Eigentümergemeinschaft Grunddienstbarkeiten zu Lasten und zugunsten der jeweiligen Mindestanteile bestellt werden können (5 Ob 21/08m; 5 Ob 270/03x) verwiesen wurde. In der in einer Grundbuchsache ergangenen E 5 Ob 88/07p wurde unter Bezugnahme auf diesen Rechtssatz festgehalten, sowohl die Begründung einer Grunddienstbarkeit als auch die Belastung mit einer Realservitut werde hinsichtlich des Mindestanteils einzelner Wohnungseigentümer für zulässig angesehen. Zu beurteilen waren aber Fragen der Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung von Trennstücken bei einer zugunsten der gesamten Liegenschaft begründeten Dienstbarkeit. Die hier relevante Frage war auch in dieser Entscheidung nicht Verfahrensgegenstand. Soweit sonst in den mit den Rechtssätzen RIS-Justiz RS0082754 und RS0011520 gleichgestellten Entscheidungen im hier relevanten Zusammenhang die Begründung von Grunddienstbarkeiten bejaht wurde, handelte es sich um solche zugunsten der Eigentümer von Mindestanteilen (5 Ob 270/03x; 5 Ob 85/08y). Zusammengefasst ergibt sich daher, dass sich aus Entscheidungen des OGH zwar erschließen ließe, die Begründung einer Dienstbarkeit an einer fremden Liegenschaft zugunsten von Mindestanteilen wäre möglich. Tatsächlich hatte der OGH über diese Frage inhaltlich aber noch nicht konkret abzusprechen. Soweit eine solche Möglichkeit in der E 3 Ob 84/97t, wenn auch obiter, anklingt, bedarf es einer Klarstellung.

 

Die Sonderstellung des Wohnungseigentums beruht auf der Einheit von dinglichem Nutzungsrecht an einem wohnungseigentumsfähigen Objekt mit dem im Mindestanteil ausgedrückten ideellen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft. Durch den Mindestanteil wird daher – wie auch im schlichten Miteigentum – ebenfalls der Miteigentumsanteil im Verhältnis zum Ganzen ausgedrückt, sodass auch im Wohnungseigentum die Konstruktion über das ideelle Miteigentum im Vordergrund steht. Damit kommt der Grundsatz der Unteilbarkeit von Grunddienstbarkeiten hier insoweit zum Tragen, als auch ein Mindestanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, im Verhältnis zu einer fremden Liegenschaft nicht herrschendes Gut sein kann.