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27.02.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Selbsthilfe durch Abschleppen eines PKW

Vor dem Abschleppen eines auf einem Privatparkplatz abgestellten PKW ist die Einholung einer Auskunft aus der Zulassungsevidenz gem § 47 Abs 2a KFG zweckmäßig und zumutbar; nachher hat er unverzüglich die erforderlichen gerichtlichen Schritte einzuleiten


Schlagworte: Privatparklatz, Besitzstörung, Selbsthilfe, Abschleppen, gelindestes Mittel, Auskunft aus der Zulassungsevidenz, Einleitung gerichtlicher Schritte
Gesetze:

 

§ 19 ABGB, § 344 ABGB, § 47 KFG

 

GZ 10 Ob 34/17y [1], 20.12.2017

 

OGH: Ein Akt der Selbsthilfe ist nur rechtmäßig, wenn die Hilfe der Behörden zu spät käme, also der vorgesehene Rechtsweg zur Durchsetzung nicht geeignet ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Behörde nicht erreichbar oder nicht funktionsfähig ist, ferner, wenn sie sich weigert, einzuschreiten. Dass die Hilfe der Behörde zu spät käme, entspricht der beim Notstand anerkannten Voraussetzung, dass der Eingriff des Betroffenen der einzige Ausweg aus der Gefahr ist. Nachteile, die durch die bloße Verfahrensdauer zu erwarten sind, berechtigen nicht zur Selbsthilfe, weil sonst Selbsthilfe immer schon dann zulässig wäre, wenn die Verfahrensdauer unmittelbares Eingreifen der Behörden nicht erwarten lässt. Auch wenn die behördliche Hilfe zu spät käme, ist nicht jeder Akt der Selbsthilfe erlaubt. Selbsthilfe ist innerhalb der ihr gebotenen (notwendigen) Grenzen auszuüben. § 344 ABGB erlaubt nur die Anwendung „angemessener Gewalt“. Es muss daher - wie auch bei Notwehr oder Notstand - eine Interessenabwägung vorgenommen werden, bei der insbesondere der durch das Unterbleiben der Selbsthilfe zu erwartende Nachteil und die durch die Selbsthilfe geschehene Güterbeeinträchtigung abzuwägen sind. Wer sich auf Selbsthilfe beruft, hat zu beweisen, dass er rechtmäßig handelte. Ein sonst drohender Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit von Selbsthilfe im engeren Sinn.

 

Allgemein muss für die Selbsthilfe das gelindeste zielführende Mittel der Rechtsdurchsetzung gewählt werden, damit noch von einer innerhalb der Angemessenheitsgrenze der §§ 344, 19 ABGB liegenden Selbsthilfehandlung ausgegangen werden kann. Das (unsachgemäße) „Beiseiteräumen“ eines Fahrzeugs stellt dann keine berechtigte Selbsthilfe iSd §§ 19, 344 ABGB dar, wenn diejenigen, die das Fahrzeug entfernt haben, zuvor keine Erkundigungen nach der Person des Lenkers eingeholt haben. Vor dem Abschleppen sind stets zunächst zumutbare Erkundigungen anzustellen, wobei diese Pflicht nicht überspannt werden darf. Die Einholung einer Auskunft aus der Zulassungsevidenz gem § 47 Abs 2a KFG ist jedenfalls zweckmäßig und zumutbar, weil durch sie Name und Anschrift des Zulassungsbesitzers in Erfahrung gebracht werden kann. Demjenigen, der rechtswidrig das Fahrzeug abstellte, muss dadurch die Möglichkeit geboten werden, das Fahrzeug selbst zu entfernen.

 

Veranlasst ein Mieter eines Parkplatzes ein Abschleppunternehmen, ein dort unberechtigt geparktes Fahrzeug abzuschleppen und (gegen Entgelt) auf einem Parkplatz des Abschleppunternehmens abzustellen, so ist er selbst bei Annahme berechtigter Selbsthilfe im engeren Sinn gehalten, unverzüglich die erforderlichen gerichtlichen Schritte einzuleiten.