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27.02.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Dauerrabatt-Rückforderung bei Versicherungen

Eine Klausel, die eine Dauerrabattrückvergütung vorsieht, muss grundsätzlich so gestaltet sein, dass sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge streng degressiv entwickeln


Schlagworte: Versicherungsrecht, Prämie, Kündigung, Dauerrabatt, Rückforderung, degressive Rückzahlungskurve, gröbliche Benachteilung, Sittenwidrigkeit
Gesetze:

 

§ 8 VersVG, § 879 ABGB

 

GZ 7 Ob 81/17p [1], 20.12.2017

 

OGH: Nach § 8 Abs 3 Satz 1 VersVG kann ein Versicherungsnehmer, wenn er Verbraucher ist, ein Versicherungsverhältnis, das er für eine Dauer von mehr als 3 Jahren eingegangen ist, zum Ende des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich kündigen. § 8 Abs 3 Satz 2 VersVG bestimmt, dass eine allfällige Verpflichtung des Versicherungsnehmers zum Ersatz von Vorteilen, besonders Prämiennachlässen, die ihm wegen einer vorgesehenen längeren Laufzeit des Vertrags gewährt worden sind, unberührt bleibt. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung wird die grundsätzliche Zulässigkeit von vertraglichen Vereinbarungen bejaht, in denen die Nachforderung von Dauerrabatten vorgesehen ist. Eine solche Vereinbarung einer Dauerrabattnachzahlung unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.

 

Klauseln, die eine (Treuebonus- oder) Dauerrabattrückvergütung mit gleich bleibenden jährlichen Beträgen vorsehen, sodass der rückforderbare Betrag mit längerer Vertragsdauer steigt statt sinkt, widersprechen mangels sachlicher Rechtfertigung dem Verbot der Benachteiligung des Versicherungsnehmers gem § 879 Abs 3 ABGB. Dies gilt gleichermaßen für sog „gemäßigt“ oder „gemildert progressive“ Klauseln. Eine Klausel, die eine Dauerrabattrückvergütung vorsieht, muss daher grundsätzlich so gestaltet sein, dass sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge streng degressiv entwickeln (degressive Rückzahlungskurve).

 

Im vorliegenden Fall ist zwar der Prozentsatz der Rückforderung, nicht aber der sich tatsächlich errechnende Rückforderungsbetrag ausgehend von der Summe der geleisteten Prämien während der Laufzeit streng degressiv ausgestaltet. Es steigt die vom Versicherungsnehmer zu leistende Nachzahlung während der ersten Hälfte der regulären Vertragslaufzeit von 10 Jahren, also die ersten 5 Jahre laufend an, bleibt dann im sechsten gleich hoch und beginnt erst danach zu sinken. Damit wird das gesetzliche Kündigungsrecht des Konsumenten gem § 8 Abs 3 erster Satz VersVG für die ersten 6 Jahre der regulären Vertragslaufzeit mit wirtschaftlichen Mitteln ganz entscheidend erschwert. Die inkriminierte Klausel widerspricht daher dem Verbot der Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 879 Abs 3 ABGB.