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27.03.2018 Zivilrecht

OGH: Tierhalterhaftung gem § 1320 ABGB iZm unangeleintem Laufenlassen eines Hundes bei einem Spaziergang im freien Gelände?

In seiner Beurteilung, dass die Beklagte weder wegen der konkreten Örtlichkeiten (Wiese im Freilandgebiet), noch wegen des Naturells ihres Hundes auf besondere Gefahrenmomente schließen musste, weshalb das freie Herumlaufenlassen nicht sorgfaltswidrig gewesen sei, ist dem Berufungsgericht keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Tierhalterhaftung, unangeleinter Hund, freies Gelände, kein behördlich angeordneter Leinenzwang
Gesetze:

 

§ 1320 ABGB

 

GZ 4 Ob 20/18x, 20.02.2018

 

OGH: Das Maß der Sorgfaltspflichten bei Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen.

 

Dabei hat die Rsp folgende Grundsätze entwickelt:

 

Es ist die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu berücksichtigen. Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden. Die Beweislast für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt trifft den Tierhalter, die Anforderungen dürfen dabei nicht soweit überspannt werden, dass das Halten von an und für sich ungefährlichen Haustieren unmöglich gemacht wird. Grundsätzlich besteht kein allgemeiner Leinenzwang, sodass es der Verkehrsübung entspricht, gutmütige Hunde im freien Gelände unangeleint herumlaufen zu lassen. Im Gelände ist nur dann erhöhte Sorgfalt geboten, wenn besondere Gefahrenmomente für Personen bestehen, wobei auch die Beherrschbarkeit des Tieres zu berücksichtigen ist.

 

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat sie auf den konkreten Einzelfall angewendet. In seiner Beurteilung, dass die Beklagte weder wegen der konkreten Örtlichkeiten (Wiese im Freilandgebiet), noch wegen des Naturells ihres Hundes auf besondere Gefahrenmomente schließen musste, weshalb das freie Herumlaufenlassen nicht sorgfaltswidrig gewesen sei, ist dem Berufungsgericht keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom OGH aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste. Damit liegt insoweit keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor.

 

Das Rechtsmittel zeigt auch nicht auf, dass die Vorinstanzen von der bisherigen Rsp abgewichen sind. Die angefochtene Entscheidung ist mit dem Sachverhalt, der der E 5 Ob 513/92 zugrundelag, nicht zu vergleichen, weil dort ein Vorfall im Stadtgebiet zu beurteilen war. Auch ein Widerspruch zur E 6 Ob 227/05h besteht nicht, weil der OGH dort eine Haftung wegen des fehlenden Blickkontakts bejahte, nicht aber eine allfällige Leinenpflicht.

 

In der E 3 Ob 133/08t wurde die Haftung des Hundehalters wegen des behördlich angeordneten Leinenzwangs bejaht, weshalb sich der Kläger auch auf diese Entscheidung nicht berufen kann. Es ist unstrittig, dass im Anlassfall kein behördlich angeordneter Leinenzwang bestand.

 

Aufgrund des vertretbar verneinten Verstoßes von Verwahrungspflichten stellen sich die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen zur Adäquanz und zum Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht, sodass die Zulässigkeit der Revision auch darauf nicht gestützt werden kann.