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03.04.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Haftung des Mobilfunknetzbetreibers für Netzausfälle

Bestimmte Interessen des Gläubigers, wie etwa die Weiterveräußerung der geschuldeten Sache oder auch die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung mit einem Dritten sind vom Schuldner nur dann zu ersetzen, wenn ihm das Interesse erkennbar war und sein Verhalten und das vereinbarte Entgelt dahin verstanden werden kann, dass das Risiko Vertragsgegenstand wurde; ausgehend davon kann das noch viel weniger vorhersehbare Risiko aus den Entscheidungen einzelner Vertragspartner bei Schwierigkeiten mit der Mobilfunkverbindung nicht als abgedeckt erachtet werden; diese insbesondere aus der Unabsehbarkeit des Verhaltens einzelner Vertragspartner des Kunden des Telekommunikationsunternehmens abgeleitete Einschränkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs trifft aber nicht in gleicher Weise auf allgemeine, durch die schlechte Erreichbarkeit bewirkte Gewinneinbußen zu; es ist durchaus denkbar, dass derartige Risken unter bestimmten Umständen („Businessvertrag“) als vom Vertrag erfasst anzusehen sind


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Mobilfunkvertrag, Netzbetreiber, Netzausfälle, Haftung, Schadenersatz, Adäquanz, Rechtswidrigkeitszusammenhang, Schutzzweck der Norm, Businessvertrag
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1090 ABGB, § 25 TKG, Universaldienst-VO

 

GZ 6 Ob 90/17d, 21.12.2017

 

OGH: Die Pflichten des Netzbetreibers richten sich grundsätzlich nach dem Vertrag, wobei dem Vertragszweck und dem Parteiwillen besondere Bedeutung zukommt. Ein wesentlicher Leistungsinhalt eines Mobilfunkvertrags besteht darin, dass der Netzbetreiber dem Kunden das gesamte Funknetz samt technischen Einrichtungen zum Gebrauch zur Verfügung zu stellen hat. Für den Kunden ist dabei nicht von Relevanz, wie die Datenübertragung erfolgt, sondern allein die Tatsache, dass diese erfolgt. Das Freischalten der Rufnummer, der Mailbox oder in Datenbanken der Telekommunikationsnetze sind notwendige Nebenpflichten des Netzbetreibers. Den Mobilfunkbetreiber trifft idR die Pflicht, das Netz entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik anzubieten. Nach § 25 Abs 4 Z 2 lit c TKG haben die AGB Regelungen über die „vertraglich zugesicherte Dienstqualität“ zu enthalten. Üblicherweise verpflichten sich Netzbetreiber dazu, das Mobilfunknetz nach dem „jeweiligen Stand der Technik“ anzubieten, sodass nicht eine 100%ige Verfügbarkeit der Leistung geschuldet ist, zumal es schon rein technisch nicht möglich ist, ein permanent störungsfreies Netz allerorts anzubieten. Der konkrete Umfang hat sich nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und Rahmenbedingungen zu richten.

 

Dass das Nichtfunktionieren eines Mobilfunknetzes bei einem Versicherungsvermittler zu geschäftlichen Nachteilen führen kann, liegt nicht völlig außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung (Adäquanz), gehört es doch zu den typischen Tätigkeiten eines Vermittlers, mit seinen Kunden in einem intensiven Kontakt zu stehen.

 

Eine andere Frage ist jedoch, inwieweit auch das Risiko aus dem Verhalten einzelner Kunden durch den Mobilfunkvertrag des Vermittlers abgedeckt werden soll (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Im Vertragsrecht soll derjenige, der eine Vertragspflicht verletzt, nur insofern haften, als jene Interessen verletzt sind, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht bezweckt. Bestimmte Interessen des Gläubigers, wie etwa die Weiterveräußerung der geschuldeten Sache oder auch die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung mit einem Dritten, sind nur dann geschützt, wenn dem Schuldner das Interesse erkennbar war und sein Verhalten und das vereinbarte Entgelt dahin verstanden werden kann, dass das Risiko Vertragsgegenstand wurde. Ausgehend davon kann das noch viel weniger vorhersehbare Risiko aus den Entscheidungen einzelner Vertragspartner bei Schwierigkeiten mit der Mobilfunkverbindung nicht als abgedeckt erachtet werden. Diese insbesondere aus der Unabsehbarkeit des Verhaltens einzelner Vertragspartner des Kunden des Telekommunikationsunternehmens abgeleitete Einschränkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs trifft aber nicht in gleicher Weise auf allgemeine, durch die schlechte Erreichbarkeit bewirkte Gewinneinbußen zu. Es ist durchaus denkbar, dass derartige Risken unter bestimmten Umständen („Businessvertrag“) als vom Vertrag erfasst anzusehen sind.