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14.05.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Solennisierung von Privaturkunden durch den Notar

Bei Errichtung eines Notariatsakts müssen die darin als erschienen angeführten Parteien auch noch bei ihrer eigenen Unterfertigung gemeinsam anwesend sein, aber nicht mehr bei der Unterfertigung der Urkunde durch die gegebenenfalls mitwirkenden Zeugen und den Notar; die Verletzung der Unterschriftsreihenfolge des § 68 NO führt nicht zum Solennitätsverlust iSd § 66 NO


Schlagworte: Notariatsordnung, Errichtung eines Notariataktes, Solennisierung einer Privaturkunde, Anwesenheit, Parteien, Zeugen, Unterfertigung, Unterschrift, Gleichzeitigkeit, Solennitätsverlust
Gesetze:

 

§ 54 NO, § 56 NO, § 66 NO, § 68 NO

 

GZ 6 Ob 167/17b [1], 28.02.2018

 

OGH: § 54 NO sieht vor, dass wenn eine bereits errichtete Privaturkunde notariell bekräftigt werden soll, hierüber ein Notariatsakt aufzunehmen ist. Diese sog Solennisierung einer Privaturkunde ersetzt die Errichtung eines Notariatsakts. Nach § 54 NO muss die Privaturkunde dem Notar vorgelegt, von ihm geprüft und wenn der Aufnahme des Akts kein Hindernis entgegensteht, von ihm und den etwa zuzuziehenden Aktszeugen unterzeichnet werden. Zeugen sind gem § 56 Abs 1 NO ua dann beizuziehen, wenn eine Partei der Sprache, in welcher der Akt aufgenommen wird, nicht kundig ist. Ein Notariatsakt, der unter Außerachtlassung dieser Förmlichkeiten und Vorsichten aufgenommen worden ist, hat nicht die Kraft einer öffentlichen Urkunde (§ 66 NO).

 

Bereits der Wortlaut des Gesetzes verlangt unzweifelhaft die Unterschrift der Zeugen auf der Privaturkunde selbst. Im vorliegenden Fall wurde die Privaturkunde auch von den Zeugen unterfertigt, allerdings erst etwa 2 Monate nach der Unterschriftsleistung durch die Parteien, offenbar weil erst nach dem ersten Unterzeichnungstermin auffiel, dass die Unterschriften der Zeugen auf der Urkunde vergessen wurden. Wenn die Unterschrift der Zeugen zu einem späteren Zeitpunkt nachgetragen wird, nimmt dies dem Notariatsakt nicht die Kraft einer öffentlichen Urkunde.

 

Daraus ergibt sich nämlich noch nicht die Unwirksamkeit des Notariatsakts: Bei Errichtung eines Notariatsakts müssen die (darin als erschienen angeführten) Parteien gleichzeitig anwesend sein; die Parteien müssen auch noch bei ihrer eigenen Unterfertigung gemeinsam anwesend sein, aber nicht mehr bei der Unterfertigung der Urkunde durch die mitwirkenden Zeugen und den Notar. Wenn bloß der Notar auf einer Urkunde zu unterschreiben vergessen hat, dann kann er dies so lange nachholen, als er die Urkunde noch in seiner Verfügungsgewalt hat und sie noch nicht (etwa durch Erteilung einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift) nach außen in Erscheinung getreten ist. Zwar spricht § 68 NO dafür, dass grundsätzlich der Notar erst nach den Zeugen unterschreibt; die Verletzung dieser Reihenfolge führt aber noch nicht zum Solennitätsverlust iSd § 66 NO, weil diese Bestimmung nur auf die in den §§ 54 bis 65 NO gebotenen Förmlichkeiten und nicht auch auf § 68 NO verweist.