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16.06.2018 Zivilrecht

OGH: Sicherstellung bei Bauverträgen iSd § 1170b ABGB

Auch rein planerisch tätige Personen wie zB Architekten, Statiker oder Ingenieure können unter den Begriff des „Unternehmers eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon“ fallen; aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts entsteht der Anspruch auf Sicherstellung unabhängig von der Erbringung von Vorleistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses


Schlagworte: Werkvertrag, Sicherstellung bei Bauverträgen, ab Vertragsabschluss, Planungsleistungen, mehrere Abschnitte
Gesetze:

 

§ 1170b ABGB, §§ 1165 ff ABGB

 

GZ 6 Ob 65/18d [1], 26.04.2018

 

OGH: Die mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 eingefügte Bestimmung des § 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 Satz 2 ABGB vor. Die Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle kann nur bei Werkverträgen verlangt werden, in denen es um die Herstellung oder die Bearbeitung eines Bauwerks selbst, seiner Außenanlagen oder eines Teils davon geht. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder sonst unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. In diesem Zusammenhang verweist § 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 ABGB. Damit soll klargestellt werden, dass der Entgeltanspruch des Unternehmers wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu behandeln ist.

 

Zweck der Regelung ist es, den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenzuwirken. Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu leisten, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu.

 

In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, das Recht auf Sicherstellung entstehe mit Vertragsabschluss (arg: „ab Vertragsabschluss“); die Geltendmachung setze nicht voraus, dass der Unternehmer bereits Vorleistungen erbracht habe.

 

Demgegenüber vertritt Schopper, für bloße Planungsarbeiten könne eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB erst nach Beginn der faktischen Umsetzung des Plans durch konkrete Bautätigkeiten gefordert werden. Gleiches müsse gelten, wenn zwischen Vertragsabschluss und Baubeginn ein längerer Zeitraum liege und der Bauunternehmer Sicherstellung lange vor Baubeginn verlange. Dies ergebe sich va aus dem Normzweck, wonach das besondere Insolvenzrisiko des vorleistungspflichtigen Bauunternehmers vermindert werden solle. Ein solches Risiko sei aber fernab jeder faktischen Bautätigkeit kaum erkennbar.

 

Rebhahn/Kietaibl gehen zwar davon aus, dass die Sicherstellung ab Vertragsabschluss begehrt werden könne. Aus der in § 1170b Abs 2 ABGB normierten angemessenen Frist für die Leistung der Sicherheit schließen sie jedoch, dass aufgrund der besonderen Interessenlage auch darauf abzustellen sei, wann nach dem Vertrag mit der geschuldeten Werkleistung (jeweils) begonnen werden solle. Dies sei insbesondere bei Werken relevant, die in Abschnitten zu erbringen und abzurechnen seien. Könne der Unternehmer sogleich Sicherstellung für das Entgelt für alle, auch die späteren Abschnitte verlangen, so würde der Besteller mit unnötigen Finanzierungskosten belastet. Bei manchen Sicherstellungsarten wäre er einem erhöhten Risiko einer Insolvenz des Unternehmers ausgesetzt, wenn er bereits bei Vertragsschluss die gesamte Sicherstellung leiste, obwohl der Unternehmer erst viel später mit der Werkherstellung beginnen müsse und die Sicherstellung unredlicherweise realisieren und/oder mit seinem eigenen Vermögen vermengen würde.

 

Nach den Gesetzesmaterialien fällt auch die Planung eines Hauses oder einer Heizungsanlage in den Anwendungsbereich des § 1170b ABGB. Damit wird klargestellt, dass auch rein planerisch tätige Personen wie zB Architekten, Statiker oder Ingenieure unter den Begriff des „Unternehmers eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon“ fallen können.

 

Nach Högel/Wiesinger ist § 1170b ABGB auch anwendbar, wenn die Planungsleistungen (noch) nicht im Bauwerk umgesetzt wurden und daher (noch) nicht zur Wertsteigerung des Grundstücks beigetragen haben: Die Sicherstellung nach § 1170b ABGB erfolge nicht durch das Baugrundstück selbst (in Form einer Hypothek); anders als bei der Sicherungshypothek des § 648 BGB handle es sich daher um eine grundstücksunabhängige Sicherheitsleistung. Die österreichische Regelung sei somit von einer unmittelbaren Beziehung zum Baugrundstück losgelöst.

 

Damit wird zutreffend ein bedeutsamer Unterschied zwischen § 1170b ABGB und § 648a BGB, der als Vorbild für die österreichische Regelung diente, aufgezeigt. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts entsteht der Anspruch auf Sicherstellung unabhängig von der Erbringung von Vorleistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Eine jener Konstellationen, die nach Schopper und Rebhahn/Kietaibl eine einschränkende Auslegung des § 1170b ABGB rechtfertigen sollen, liegt hier nicht vor: Weder handelt es sich bei den beauftragten Leistungen um bloße Planungstätigkeiten, noch sollte das Werk in mehreren Abschnitten erbracht werden oder hätte eine ungewöhnlich lange Zeit zwischen Vertragsabschluss und Erbringung der Leistung liegen sollen. Im Übrigen verlangte die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohnehin erst mehr als ein Jahr nach Vertragsabschluss Sicherstellung. Das Argument der Revisionswerberin, dass auch Bürgschaft und Pfandrecht vom Entstehen bzw vom Bestand des zu sichernden Rechts abhingen, geht ins Leere, weil § 1170b ABGB gerade keine derartige Akzessorietät zu einer Vorleistung des Werkunternehmers vorsieht. Vielmehr normiert diese Bestimmung in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass die Sicherstellung grundsätzlich ab Vertragsschluss gefordert werden kann, also einem Zeitpunkt, in dem der Werkunternehmer in den seltensten Fällen bereits eine Vorleistung erbracht haben wird.

 

Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht auch nicht etwa die als reine Obliegenheit des Bestellers gar nicht einklagbare Sicherstellung, sondern den Werklohn abzüglich der Ersparnis der Klägerin zugesprochen.