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06.08.2018 Zivilrecht

OGH: § 1168 ABGB – Entgelt bei Stornierung des Werkauftrages und (behauptetem) Verlustgeschäft

Betragen bei einem vereinbarten Entgelt von 80 die Fixkosten 60 und die variablen Kosten 40 hätte der Verlust bei Ausführung 20 betragen; soll der Unternehmer bei Unterbleiben der Ausführung genauso gestellt werden wie bei Durchführung muss er, trotzdem es sich um ein Verlustgeschäft handelt, 40 erhalten; gerade dieses Ergebnis erzielt man aber, wenn man, wie vom Gesetz vorgesehen, vom vereinbarten Entgelt die ersparten Aufwendungen abzieht; im Rahmen der nicht ersparten Ausgaben verbleibt dann dem Unternehmer jener Verlust, der auch bei Durchführung des Rechtsgeschäfts nicht hätte vermieden werden können; nur wenn diese Berechnung ein negatives Ergebnis ergäbe, hätte der Werkunternehmer keinen Ersatzanspruch


Schlagworte: Werkvertrag, Ausschreibung, Verlustgeschäft, Beweislast, Stornierung des Werkauftrages, Vereitelung der Ausführung, Entgelt, Berechnung, variable Kosten, Fixkosten
Gesetze:

 

§ 1168 ABGB, §§ 1165 ff ABGB

 

GZ 8 Ob 121/17b [1], 25.06.2018

 

OGH: Nicht mehr strittig im Revisionsverfahren ist, dass ein Werkvertrag zustande gekommen ist, dessen Ausführung aufgrund von Umständen, die die Beklagte zu vertreten hat, unterblieben ist.

 

Nach § 1168 Abs 1 ABGB gebührt dem Unternehmer das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände auf Seiten des Bestellers, wie insbesondere die Abbestellung des Werks, an der Ausführung des Werks (endgültig) verhindert worden ist. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben verabsäumt hat.

 

Bei der Ermittlung dessen, was dem Unternehmen zu vergüten ist, ist daher zunächst zu errechnen, welche Vergütung ihm zustünde, wenn das Vertragsverhältnis nicht durch Stornierung des Auftrags seitens des Bestellers beendet worden wäre. Dieser Entgeltanspruch ist auf Antrag des Bestellers um das zu mindern, was sich der Unternehmer infolge Unterbleibens erspart hat, wie insbesondere nicht verbrauchtes Material und Entgelt für nicht in Anspruch genommene Fremdleistungen, und damit um variable Kosten. Aufwendungen für Produktionsfaktoren, die zwar nicht eingesetzt wurden, aber trotzdem bereitgehalten und bezahlt wurden (Fixkosten), sind nicht als Erspartes anzurechnen.

 

Der Unternehmer muss seine Leistungsbereitschaft, das Unterbleiben infolge von Umständen auf Seiten des Bestellers und die Höhe seines Anspruchs behaupten und beweisen. Es ist aber Sache des Bestellers, konkrete Behauptungen darüber aufzustellen und zu beweisen, was sich der Unternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit erspart hat.

 

§ 1168 Abs 1 ABGB bezweckt, die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für den Unternehmer zu erhalten. Er soll durch die Stornierung des Werkauftrags keine Schlechterstellung, aber auch keine Besserstellung auf Kosten des Vertragspartners erfahren.

 

Eine Besserstellung würde aber eintreten, wenn der Werklohn so kalkuliert wurde, dass der Unternehmer bei Ausführung des Auftrags einen Verlust erlitten hätte, ihm aber dennoch der gesamte bis zur Stornierung des Auftrags getätigte Aufwand zuerkannt würde. Davon ausgehend wurde in der vom Berufungsgericht zitierten E 1 Ob 642/90 darauf verwiesen, dass es vom Ansatzpunkt her unzutreffend sei, einen Ersatzanspruch des Unternehmers nach den von ihm getätigten Aufwendungen zu bestimmen und den Aufwand noch daraufhin zu prüfen, ob er angemessen sei.

 

Den Vorinstanzen kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass, weil die Klägerin nicht nachweisen konnte, in Ausführung des Werks bereits einen Aufwand getätigt zu haben, ihr deshalb überhaupt kein Anspruch zusteht. Richtig zeigt die Revision auf, dass bei Verlustgeschäften, also Geschäften, bei denen das vereinbarte Entgelt die Gesamtkosten des Unternehmers bei Auftragserfüllung nicht abdecken kann, nicht auszuschließen ist, dass dessen ungeachtet die Fixkosten zumindest zum Teil abgedeckt hätten werden können, wodurch das unternehmerische Gesamtergebnis verbessert worden wäre. Betragen bei einem vereinbarten Entgelt von 80 die Fixkosten 60 und die variablen Kosten 40 hätte der Verlust bei Ausführung 20 betragen. Soll der Unternehmer bei Unterbleiben der Ausführung genauso gestellt werden wie bei Durchführung muss er, trotzdem es sich um ein Verlustgeschäft handelt, 40 erhalten.

 

Gerade dieses Ergebnis erzielt man aber, wenn man, wie vom Gesetz vorgesehen, vom vereinbarten Entgelt die ersparten Aufwendungen abzieht. Im Rahmen der nicht ersparten Ausgaben verbleibt dann dem Unternehmer jener Verlust, der auch bei Durchführung des Rechtsgeschäfts nicht hätte vermieden werden können. Nur wenn diese Berechnung ein negatives Ergebnis ergäbe, hätte der Werkunternehmer keinen Ersatzanspruch. Dies steht auch im Einklang mit der zitierten E 1 Ob 642/90, die letztlich nur darauf verweist, dass das nach § 1168 Abs 1 ABGB zu zahlende Entgelt bei Verlustgeschäften nicht ohne weiteres mit dem bereits getätigten Aufwand gleichzusetzen ist, da der Unternehmer sonst besser gestellt würde als bei einer Ausführung des Geschäfts.

 

Aus den getroffenen Feststellungen lässt sich jedoch nur ableiten, dass das Geschäft für die Klägerin als solches einen Verlust dargestellt hätte, nicht aber, ob die Klägerin durch das wirtschaftliche Ergebnis bei Durchführung des Auftrags nicht ungeachtet des Umstands, dass es sich insgesamt um ein Verlustgeschäft gehandelt hat, einen wirtschaftlichen Vorteil lukrieren hätte können.

 

Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin diesbezüglich ihrer Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen ist. Die Klägerin hat das vereinbarte Entgelt abzüglich von ihr selbst angerechneter Ersparnisse geltend gemacht. Dass darüber hinaus Anrechnungen vorzunehmen sind, die zu einem so negativen Ergebnis führen, sodass für die Klägerin überhaupt kein wirtschaftlicher Vorteil mit dem Geschäft verbunden gewesen wäre, ist aber, wie ausgeführt, von der Beklagten zu behaupten und zu beweisen.