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06.08.2018 Zivilrecht

OGH: Zum Ablöseverbot nach § 27 MRG zwischen Mitmietern

Im Fall des Ausscheidens eines Mitmieters aus dem Mietverhältnis ist für die Beurteilung eines Ablöseverbots auf das Alleinmietrecht abzustellen; im Hinblick auf dieses Recht hatte die Beklagte vor Abschluss der Vereinbarung vom 28. 6. 2016 noch keine gesicherte Rechtsposition; da sie das Bestandobjekt für sich alleine haben und behalten wollte, war sie gezwungen, sich auf die Ablösevereinbarung mit der Klägerin einzulassen; damit liegt auch eine relevante Drucksituation für die Beklagte vor


Schlagworte: Mietrecht, Mitmieter, Ablöseverbot
Gesetze:

 

§ 27 MRG, § 12a MRG, § 825 ABGB

 

GZ 4 Ob 79/18y [1], 29.05.2018

 

OGH: § 27 Abs 1 Z 1 MRG ist in seinem Anwendungsbereich weit gefasst und erklärt im Grundsatz jede Vereinbarung für verboten und daher nichtig, nach der der neue Mieter einem anderen – va dem Vermieter oder seinem Vormieter – eine Leistung zu erbringen hat, ohne dafür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Die rechtliche Konstruktion ist bedeutungslos. Nach dem Zweck der Regelung soll verhindert werden, dass der Bestandgegenstand als Vermögenswert gehandelt wird und kein objektiv äquivalenter Leistungsaustausch vorliegt.

 

Im Anlassfall ist das Verhältnis zwischen Mietern einschlägig. In einem solchen Fall kann dem scheidenden Vormieter vom neuen Mieter nur eine objektiv bestimmbare, äquivalente Gegenleistung ersetzt werden. Als vermögenswerte Gegenleistung kommen etwa Sachgüter, die der alte Mieter im Bestandgegenstand zurücklässt, in Betracht, weiters andere vermögenswerte Leistungen, die der bisherige Mieter selbst in die Wohnung eingebracht hat oder auf seine Kosten einbringen ließ oder von einem Dritten übernommen hat, die Verschaffung einer besonderen rechtlichen Position, die im wirtschaftlichen Verkehr einen vermögenswerten Vorteil bildet (nicht aber die Einräumung von Weitergabe- oder Untervermietungsrechten), oder die Vereinbarung besonderer Rechtsfolgen (zB des § 12a MRG) im Dreiparteienverhältnis, mit der vorab eine unsichere Rechtslage beseitigt wird.

 

Einen derartigen vermögenswerten Vorteil hat die Beklagte nach den Feststellungen nicht erhalten.

 

Die Klägerin meint, § 27 MRG gelange im Anlassfall nicht zur Anwendung, weil der Beklagten schon Mitmietrechte hinsichtlich des Bestandgegenstands zugekommen seien.

 

Richtig ist, dass § 27 Abs 1 Z 1 MRG nach dem Telos dahin einzugrenzen ist, dass die Leistung des neuen Mieters nur dann als unzulässige Ablöse betrachtet werden kann, wenn dieser noch keine rechtlich gesicherte Position erlangt hat und somit in seiner Willensbildung beschränkt ist.

 

Die hier maßgebende Vereinbarung wurde zum Zweck abgeschlossen, der Beklagten das alleinige Mietrecht zu verschaffen, oder – wie es die Beklagte selbst ausdrückt – die Klägerin als Mitmieterin loszuwerden. Dadurch verbesserte sich die mietrechtliche Position der Beklagten, weil sie ab dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Mietverhältnis das Bestandobjekt als einzige Mieterin alleine benützen konnte und auch in ihren Entscheidungen in Ansehung des Mietgegenstands nicht von der Haltung der Klägerin abhängig war. Die Klägerin hat ihre Mitmietrechte aufgegeben, um der Beklagten diese Position einzuräumen. Dafür hat die Beklagte mit der zugrundeliegenden Vereinbarung die hier fragliche Zahlung an die Klägerin versprochen.

 

In Bezug auf das alleinige Mietrecht ist die Beklagte als neue Mieterin iSd § 27 MRG anzusehen. Die hier zu beurteilende Vereinbarung fällt damit in den Anwendungsbereich der genannten Norm.

 

Im Fall des Ausscheidens eines Mitmieters aus dem Mietverhältnis ist für die Beurteilung eines Ablöseverbots somit auf das Alleinmietrecht abzustellen. Im Hinblick auf dieses Recht hatte die Beklagte vor Abschluss der Vereinbarung vom 28. 6. 2016 noch keine gesicherte Rechtsposition. Da sie das Bestandobjekt für sich alleine haben und behalten wollte, war sie gezwungen, sich auf die Ablösevereinbarung mit der Klägerin einzulassen. Damit liegt auch eine relevante Drucksituation für die Beklagte vor.

 

Die Klägerin leitet den geltend gemachten Zahlungsanspruch ausschließlich aus der Vereinbarung vom 28. 6. 2016 ab. Nach dieser Vereinbarung wird die Zahlung ausdrücklich nur „für die Abtretung der Mietrechte per 30. 6. 2016“ versprochen.

 

Richtig ist, dass bei Veräußerung eines Unternehmens (§ 12a MRG) auch die Mietrechte im Kaufpreis Niederschlag finden können, wenn die Unternehmensveräußerung nicht nur zum Schein vorgetäuscht wird und in Wahrheit nur eine Übertragung der Mietrechte beabsichtigt ist. Ein solcher Fall eines Unternehmenskaufs liegt hier allerdings nicht vor.

 

Bei den von der Klägerin ins Treffen geführten Regelungen zum nachehelichen Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff EheG) handelt es sich um gesetzliche Sonderbestimmungen, aus denen für den Anlassfall nichts abgeleitet werden kann.

 

Auch die Überlegungen der Klägerin zu einer angeblichen GesbR führen nicht zum Erfolg. Dass es sich bei dem von der Beklagten versprochenen Betrag um ein Auseinandersetzungsguthaben zufolge Auflösung einer GesbR handle, hat die Klägerin im bisherigen Verfahren nicht behauptet. Die Klägerin hätte schon im erstinstanzlichen Verfahren ein konkretes Vorbringen dazu erstatten müssen, aufgrund welcher Regelungen in welcher Art und Weise und zu welchem Zweck die Mitmietrechte gemeinsam in eine Gesellschaft eingebracht wurden, wie eine Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern erfolgen sollte und auf welche Weise die angebliche Gesellschaft aufgelöst wurde.

 

Grundsätzlich bilden mehrere Mitmieter eine Rechtsgemeinschaft nach § 825 ABGB. Eine Teilung von Mietrechten mittels Teilungsklage ist grundsätzlich zulässig, dies allerdings nur durch Realteilung. Mietrechte an Bestandobjekten, die dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, können aber nicht Gegenstand einer gerichtlichen Feilbietung sein, weil sie nicht frei veräußerlich sind. Selbst wenn die notwendige Zustimmung des Vermieters oder ein Weitergaberecht bestehen sollte, schließt es das Ablöseverbot nach § 27 MRG aus, das Mietrecht zum Verkehrswert zu verkaufen.

 

Auf die Rügepflicht nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG kann sich die Klägerin ebenfalls nicht stützen. Ihre Überlegungen scheitern schon daran, dass sie nicht Vermieterin war und ihr die Beklagte keinen Bestandzins schuldete.

 

Schließlich vermag auch das Zitat in Prader, MRG5.04 § 27 E9, wonach (vereinbarte) Leistungen an den Mieter für dessen Aufgabe des Mietrechts nicht der Bestimmung des § 27 MRG unterliegen, den Standpunkt der Klägerin nicht zu stützen. Diese Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf versprochene Leistungen des Vermieters.

 

Im Anlassfall hat die Beklagte die Zahlung des Betrags von 36.000 EUR an die Klägerin ausschließlich für die Aufgabe der Mitmietrechte zur Erlangung der Stellung als alleinige Mieterin versprochen. Auch dieser Fall ist vom Ablöseverbot des § 27 MRG erfasst; die hier zugrundeliegende Ablösevereinbarung vom 28. 6. 2016 ist daher nichtig.