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05.11.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Haftung des Reiseveranstalters für ein von der Fluglinie wegen Annullierung des Flugs zur Verfügung gestelltes Hotel

Ein Reiseveranstalter, der den Rückflug zum vereinbarten Zeitpunkt nicht erbringt, weil die Fluglinie den Flug annulliert, ist nicht nur dazu verpflichtet, den Reisenden möglichst bald mit einem Ersatzflug an sein Ziel zu befördern, sondern muss dem Reisenden auch ein Hotel zur Übernachtung bis zum neuen Rückflug zur Verfügung stellen; das Hotel ist dann sein Erfüllungsgehilfe


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Konsumentenschutzrecht, Reiserecht, Pauschalreise, Haftung des Veranstalters, Flugreise, Fluglinie, Erfüllungsgehilfe, Gehilfenhaftung, Flugausfall, Annullierung, Zurverfügungstellung eines Hotels
Gesetze:

 

§ 11 PRG, § 12 PRG, § 31e KSchG, 1313a ABGB

 

GZ 6 Ob 146/18s [1], 31.08.2018

 

OGH: Dem Reisenden stehen aus einer Schlechterfüllung des Reiseveranstaltungsvertrags (zB verdorbenes Essen) Schadenersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter zu. Dies gilt auch für Unfälle, die bei der Beseitigung eines Reisemangels entstehen. So hat der Reiseveranstalter, dessen Reisendem von der Fluggesellschaft der vorgesehene Rückflug wegen Platzmangels versagt wird und dessen Reisender auf Veranlassung eines Angestellten der Fluggesellschaft im Dauerlauf durch die Abflughalle einen bevorstehenden Flug bei einer anderen Gesellschaft zu erreichen versucht, für die Folgen eines Sturzes des Reisenden bei diesem Dauerlauf zu haften, weil die Fluglinie, die den Reisenden auf den Ersatzflug verwiesen hat, dabei als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters handelt. Bei einer Pauschalreise können Nichtbeförderung (Überbuchung), Annullierung und Abflugverspätung einen Reisemangel darstellen; auch die fehlende oder unzureichende Betreuung und Unterstützung in diesen Fällen, etwa durch die örtliche Reiseleitung oder infolge eines Organisationsfehlers, kann sich im Einzelfall als Reisemangel darstellen.

 

Wenn die Fluglinie hinsichtlich der Beförderung als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters handelt und die Annullierung des Flugs mit Umbuchung auf einen Flug am nächsten Tag eine Schlechterfüllung des Reiseveranstaltungsvertrags darstellt, dann handelt die Fluglinie mit der Bereitstellung eines Hotels für den Reisenden im Interessenverfolgungsprogramm des Veranstalters. Zwar hat die Fluglinie die Betreuungsleistungen nicht nur den Gästen der Pauschalreise, sondern allen Fluggästen zu erbringen. Dennoch erfüllt die Fluglinie Ansprüche des Reisenden aus der Fluggastrechte-VO und im Ergebnis auch Pflichten aus dem Reiseveranstaltungsvertrag. Der Vertrag zwischen dem Reiseveranstalter und der Fluglinie kann auch so ausgelegt werden, dass die Fluglinie in einem solchen Fall die Fluggäste iSd Fluggastrechte-VO versorgen soll, damit sich der Veranstalter nicht selbst darum kümmern muss. Insgesamt erscheint somit eine Zurechnung des Hotels und der Fluglinie zum Reiseveranstalter sachgerecht, weil diese im „Pflichtenkreis“ des Veranstalters tätig wurden und zu diesen Pflichten auch Betreuungspflichten bei Annullierung eines Flugs gehören. Die Fluglinie handelt damit „im sachlichen Zusammenhang mit der Interessenverfolgung des Schuldners“, was für die Zurechnung nach § 1313a ABGB ausreicht.