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03.06.2019 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: § 333 ASVG – Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivilegs auch auf Schockschaden, Verdienstentgang sowie Behandlungskosten der verletzten Tochter

Die Haftungsbeschränkung nach § 333 ASVG umfasst nach stRsp alle Ersatzansprüche wegen Personenschäden, worunter alle Schäden verstanden werden, die durch eine Verletzung am Körper entstanden sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie sie sich auswirken und gilt auch gegenüber den Hinterbliebenen oder nahen Angehörigen; dass solche Ansprüche eines nahen Angehörigen (im damaligen Anlassfall ua wegen Schmerzengeld und Verdienstentgang wegen des erlittenen Schocks [mit Krankheitswert] und Depressionen, die durch die tödliche Verletzung des Sohnes in der Schule verursacht worden waren) wegen des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG nicht in Betracht kommen, auch wenn sie auf das AHG gestützt werden, hat der OGH bereits in seiner Entscheidung zu 1 Ob 259/08g ausgesprochen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Arbeitsunfall, Dienstgeberhaftungsprivileg, Vorsatz, mittelbarer Schaden, Schockschaden, Verdienstentgang
Gesetze:

 

§ 333 ASVG

 

GZ 1 Ob 61/19f [1], 30.04.2019

 

Die Klägerinnen behaupten in ihrer außerordentlichen Revision, das Ergebnis, dass nur bei Vorsatz gehaftet würde, sei höchst unbefriedigend und weder vom Willen des Gesetzgebers gedeckt noch rechtspolitisch erwünscht. Die Vorgangsweise der Lehrerin sei im vorliegenden Fall derart grob sorgfaltswidrig gewesen, dass eine „extensive Auslegung“ des § 175 Abs 4 ASVG iVm § 333 ASVG erfolgen hätte müssen.

 

OGH: Diese Ansicht widerspricht nicht nur dem klaren Gesetzeswortlaut, sondern auch der ständigen und gefestigten Rsp des OGH, wonach „Vorsatz“ iSd § 333 ASVG „böse Absicht“ bedeutet und sich dieser Begriff auch nicht mit gröblichster Fahrlässigkeit gleichsetzen lässt. Vorsatz iS dieser Gesetzesstelle ist daher nur gegeben, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen verursacht worden ist. Angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für eine Haftung des Dienstgebers gegenüber dem Versicherten in § 333 Abs 1 ASVG als Voraussetzung die vorsätzliche Verursachung des Unfalls verlangt, es dagegen bei den Ersatzansprüchen für alle vom Sozialversicherungsträger zu gewährenden Leistungen (insoweit) aber ausreichen lässt, dass der Unfall „vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit“ verursacht wurde (§ 334 Abs 1 ASVG) und damit zwischen diesen beiden inneren Einstellungen unterscheidet, ist nicht verständlich, warum diese Auslegung dem „Willen des Gesetzgebers“ nicht entsprechen sollte.

 

Während die Vorinstanzen die Judikatur in ihren ausführlichen Entscheidungsbegründungen umfangreich zitierten, stützen sich die Klägerinnen allein auf rechtspolitische Erwägungen, ohne in ihrer Revision ein einziges Judikat, eine Lehrmeinung oder ein Literaturzitat in ihrem Sinne anzugeben. Es steht aber nur der Gesetzgebung, und nicht den Gerichten zu, die von den Klägerinnen als unbefriedigend empfundenen Gesetzesbestimmungen zu ändern und den Anwendungsbereich einer Bestimmung aufgrund von rechtspolitischen Erwägungen zu erweitern.

 

Die Zweitklägerin meint zuletzt – ohne eine Entscheidung oder Lehrmeinung dafür ins Treffen führen zu können – die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG betreffe nicht den „mittelbaren Schaden“, den sie selbst durch die Verletzung ihrer Tochter erlitten habe, nämlich ihren Schockschaden, Verdienstentgang und die ihr erwachsenen Behandlungskosten der Tochter.

 

Die Haftungsbeschränkung nach § 333 ASVG umfasst nach stRsp alle Ersatzansprüche wegen Personenschäden, worunter alle Schäden verstanden werden, die durch eine Verletzung am Körper entstanden sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie sie sich auswirken und gilt auch gegenüber den Hinterbliebenen oder nahen Angehörigen. Dass solche Ansprüche eines nahen Angehörigen (im damaligen Anlassfall ua wegen Schmerzengeld und Verdienstentgang wegen des erlittenen Schocks [mit Krankheitswert] und Depressionen, die durch die tödliche Verletzung des Sohnes in der Schule verursacht worden waren) wegen des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG nicht in Betracht kommen, auch wenn sie auf das AHG gestützt werden, hat der OGH bereits in seiner Entscheidung zu 1 Ob 259/08g ausgesprochen.