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11.02.2020 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: § 3 VKG – Teilung der Karenz zwischen Vater und Mutter

Dass im Zeitraum zwischen dem Ende der Karenz eines Elternteils und dem Beginn der Karenz des anderen Elternteils keine Arbeitsverpflichtung besteht, führt nicht dazu, dass die Karenzen als „im unmittelbaren Anschluss“ iSd § 3 Abs 1 VKG angesehen werden können; „im unmittelbaren Anschluss“ iS dieser Bestimmung verlangt vielmehr einen Karenzbeginn mit dem auf das Ende der Karenz des anderen Elternteils folgenden Kalendertag; dem Berufungsgericht ist dahingehend zu folgen, dass die Erklärung des Klägers, ab 3. 9. 2018 Väterkarenz in Anspruch nehmen zu wollen, iZm dem Umstand, dass die Karenz der Mutter am 31. 8. 2018 endete und zwischen diesem Karenzende und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Vaters nur zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag ohne Arbeitsverpflichtung lagen, von einem redlichen Arbeitgeber und Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden konnte, dass der Vater unabhängig von dem bekanntgegebenen Datum eine Karenz nach dem VKG im unmittelbaren Anschluss an das Karenzende der Mutter beabsichtigt


Schlagworte: Väterkarenz, unmittelbar anschließende Karenz, Karenzmeldung, Wochenende ohne Arbeitsverpflichtung
Gesetze:

 

§ 3 VKG

 

GZ 9 ObA 70/19p [1], 28.11.2019

 

OGH: Nach § 3 Abs 1 VKG kann die Karenz zweimal geteilt und vom Vater abwechselnd mit der Mutter in Anspruch genommen werden. Ein Karenzteil muss mindestens zwei (vor der Novelle BGBl I 2009/116: „drei“) Monate betragen und beginnt zu dem in § 2 Abs 2 oder 3 VKG vorgesehenen Zeitpunkt (diese Fälle liegen hier nicht vor) oder im unmittelbaren Anschluss an eine Karenz der Mutter.

 

Zu dieser mit BGBl I 1999/153 eingeführten Formulierung heißt es in der Regierungsvorlage: „Dem bisherigen Konzept entsprechend müssen die Karenzurlaubsteile unmittelbar aneinander anschließen.“

 

§ 3 Abs 1 VKG idF vor der Novelle BGBl I 1999/153 sah vor, dass der Karenzurlaub des Vaters „mit dem auf den Ablauf des Karenzurlaubes der Mutter folgenden Tag“ beginnt.

 

Den Vorinstanzen ist daher darin zu folgen, dass die in § 3 Abs 1 VKG gewählte Formulierung „im unmittelbaren Anschluss“ so wie die Vorgängerbestimmung als mit dem darauffolgenden Kalendertag zu verstehen ist.

 

Wenn der Kläger damit argumentiert, dass in anderen Zusammenhängen „unmittelbar“ nur iSe engen zeitlichen Konnexes, nicht iSe fugenlosen Anschlusses verstanden wird, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, da bei der Beurteilung des Vorliegens eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses oder der Pflicht zur Meldung einer Schwangerschaft ein anderer Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist. Dagegen gibt es bei der Teilung der Karenz keine Gründe für eine vom Wortlaut und dem historischen Verständnis des Gesetzgebers andere Auslegung der Regelung. Vielmehr entspricht es, von ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen (vgl etwa § 4 VKG), dem Konzept des Gesetzes, dass die Karenz nur durchgehend und ohne zeitliche Lücken wenn auch mit der Möglichkeit des Wechsels der Betreuungsperson in Anspruch genommen werden kann.

 

Dass im Zeitraum zwischen dem Ende der Karenz eines Elternteils und dem Beginn der Karenz des anderen Elternteils keine Arbeitsverpflichtung besteht, führt nicht dazu, dass die Karenzen als „im unmittelbaren Anschluss“ iSd § 3 Abs 1 VKG angesehen werden können. „Im unmittelbaren Anschluss“ iS dieser Bestimmung verlangt vielmehr einen Karenzbeginn mit dem auf das Ende der Karenz des anderen Elternteils folgenden Kalendertag.

 

Dem Berufungsgericht ist aber auch dahingehend zu folgen, dass die Erklärung des Klägers, ab 3. 9. 2018 Väterkarenz in Anspruch nehmen zu wollen, iZm dem Umstand, dass die Karenz der Mutter am 31. 8. 2018 endete und zwischen diesem Karenzende und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Vaters nur zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag ohne Arbeitsverpflichtung lagen, von einem redlichen Arbeitgeber und Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden konnte, dass der Vater unabhängig von dem bekanntgegebenen Datum eine Karenz nach dem VKG im unmittelbaren Anschluss an das Karenzende der Mutter beabsichtigt.

 

Auch im Arbeitsrecht ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich. Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war.

 

Nach diesen Umständen konnte hier kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger eine „unmittelbar anschließende“ Karenz iSd § 3 Abs 1 VKG beabsichtigte und ist die – auf einen jederzeit aufklärbaren Irrtum beruhende – unrichtige Datumsbezeichnung für den Anspruch des Klägers auf Karenz nach § 3 VKG ohne Bedeutung. Damit bestand aber auch Kündigungsschutz nach § 7 VKG, der mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt der Karenz beginnt.

 

Da sich diese Auslegung – wie ausgeführt – bereits aus dem objektiven Erklärungswert ergibt, kommt es auf die Frage, ob aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt werden kann, den Arbeitnehmer über seine unrichtige Datumsangabe aufzuklären, nicht an.

 

Soweit die Beklagte geltend macht, dass der Kläger keine „Korrekturmeldung“ abgegeben hat bzw Kündigungsschutz erst ab einer solchen Erklärung bestehen würde, ist ebenfalls auf den objektiven Erklärungswert der Karenzmeldung zu verweisen. Dass der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises auf dem unrichtigen Datum beharrte, hat die Beklagte nicht behauptet.

 

Darauf, ob der Kläger mit der Meldung der Väterkarenz auch die Absicht verfolgte, eine Kündigung zu vereiteln, kommt es nicht an. Beweise darüber waren daher auch nicht aufzunehmen.