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23.11.2021 Zivilrecht

OGH: Zum Entfall der Miete für Geschäftsräume wegen COVID-19

Auch aus Elementarereignissen resultierende hoheitliche Eingriffe (hier: Betretungsverbot) können für den Entfall der Mitzinszahlungspflicht einschlägig sein


Schlagworte: Mietrecht, Geschäftsraummiete, COVID-19, Pandemie, Bestandobjekt, Unbrauchbarkeit, Betretungsverbot, Entfall der Mietzinszahlungspflicht, Sonnenstudio
Gesetze:

 

§ 1104 ABGB, § 1096 ABGB, § 1 COVID-19-MaßnahmenG

 

GZ 3 Ob 78/21y [1], 21.10.2021

 

OGH: Wenn die in Bestand genommene Sache wegen „außerordentlicher Zufälle“, namentlich (ua) wegen „Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen (oder) Wetterschläge“, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist gem § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten, doch ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung des Bestandobjekts nicht verpflichtet. Unter den Voraussetzungen des § 1104 ABGB, der keine abschließende Aufzählung der außerordentlichen Zufälle enthält, entfällt demnach die (verschuldensunabhängige) Erhaltungspflicht des Bestandgebers nach § 1096 ABGB, es kommt allerdings auch zu „einer Erlassung des Zinses“.

 

Zur Anwendbarkeit des § 1104 ABGB auf die von den Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie betroffenen Bestandverhältnisse über Geschäftsräumlichkeiten liegt bereits umfangreiche Lit vor. Die wohl überwiegende Auffassung, nach der die COVID-19-Pandemie mit dem deshalb angeordneten Betretungsverbot grundsätzlich einen Anwendungsfall des § 1104 ABGB bilden kann, hat nach Ansicht des OGH überzeugende Argumente für sich: „Außerordentliche Zufälle“ iSd § 1104 ABGB sind elementare Ereignisse, die von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz erwartet werden kann; diese Elementarereignisse treffen stets einen größeren Personenkreis auf eine Weise, die durch eine gesetzliche Regelung über Ersatzansprüche nicht ausgeglichen werden kann. Zu den in § 1104 ABGB (ua) ausdrücklich genannten Elementareignissen gehört die „Seuche“. Unter einer Seuche versteht man eine Infektionskrankheit, die infolge ihrer großen Verbreitung und der Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Diese Definition trifft unzweifelhaft auf COVID-19 zu.

 

Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 galt für das fragliche Bestandobjekt im April 2020 ein Betretungsverbot. Dies erfüllt die Kriterien des § 1104 ABGB auch dann, wenn - wie vorliegend - erst unmittelbar aus dieser hoheitlichen Anordnung (Betretungsverbot) folgte, dass das für bestimmte Geschäftszwecke gemietete Objekt nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung genutzt werden durfte. Dies entspricht dem von der Rsp schon bisher vertretenen Verständnis, nach dem auch aus Elementarereignissen resultierende hoheitliche Eingriffe einschlägig sein können. Daraus dass Einrichtungsgegenstände im Lokal verblieben, lässt sich eine teilweise Nutzung und ein Anspruch auf (teilweise) Leistung des vereinbarten Bestandzinses nicht ableiten. Das bloße Belassen des Inventars in den Räumen ist keine „Nutzung“ des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten (Geschäfts-)Zweck. Eine „Berücksichtigung des Werts“ dieser „Benützung“ durch das im Objekt stehende Inventar kommt damit hier nicht in Betracht.