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22.06.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Verhältnis von § 1 Abs 1 und 2 BPG für Fremdgeschäftsführer und geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ergeben, die zwar einerseits arbeitsrechtlich als Arbeitnehmer angesehen werden andererseits aber als Organmitglieder einer juristischen Person auch die Definition des zweiten Absatzes erfüllen

§ 1 Abs 1 BPG kommt ein Anwendungsvorrang zu; das Gesetz ist auf Leistungszusagen an angestellte Fremdgeschäftsführer zur Gänze anzuwenden, weil § 1 Abs 2 BPG den Geltungsbereich des Abs 1 nicht einschränkt, sondern partiell erweitert


Schlagworte: Betriebspensionen, angestellte Fremdgeschäftsführer, geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer, Organmitglieder
Gesetze:

§ 1 BPG

GZ 8 ObA 14/10g [1], 26.04.2011

 

OGH: Ein Teil der Lehrmeinungen sieht in § 1 Abs 2 BPG eine lex specialis zu dessen Abs 1. Aus dem Gebrauch des Wortes „auch” in § 1 Abs 2 BPG lasse sich zwar der Eindruck gewinnen, dass der Gesetzgeber den Geltungsbereich des Gesetzes hinsichtlich der Pensionskassenregelungen auf eine Personenkategorie ausdehnen wollte, von der er angenommen habe, dass sie davon noch nicht erfasst sei. Dagegen spreche einerseits der Sinn einer Gleichbehandlung sämtlicher Organmitglieder, wesentlich sei aber, dass sich § 1 Abs 2 BPG nur auf jene Organmitglieder beziehe, die aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit iSd § 25 EStG beziehen. Der in § 1 Abs 2 BPG umschriebene Personenkreis decke sich daher praktisch zur Gänze mit dem Kreis jener Geschäftsführer, die wegen persönlicher Abhängigkeit als Arbeitnehmer gelten, sodass kaum ein konkreter erweiterter Anwendungsbereich für § 1 Abs 2 BPG verbleibe, wenn das Gesetz auf die Ansprüche dieser Geschäftsführer nach Abs 1 ohnehin zur Gänze anzuwenden sein sollte.

 

Nach der gegenteiligen Ansicht kommt § 1 Abs 1 BPG ein Anwendungsvorrang zu. Nach dieser Auffassung ist das Gesetz auf Leistungszusagen an angestellte Fremdgeschäftsführer zur Gänze anzuwenden, weil § 1 Abs 2 BPG den Geltungsbereich des Abs 1 nicht einschränken, sondern partiell erweitern wolle. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber nur eine vorbestehende Regelung des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Möglichkeit der Einbindung von Organmitgliedern in Pensionskassenregelungen übernommen. Der für Arbeitnehmer in Führungspositionen vorgesehene Schutz werde dadurch nicht eingeschränkt, sodass die Arbeitnehmereigenschaft einer Mitgliedschaft im Vertretungsorgan der juristischen Person vorgehe.

 

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auslegung an. Zu den in § 1 Abs 2 BPG genannten Einkünften nach § 25 EStG zählen - soweit im gegebenen Zusammenhang relevant - auch Bezüge und Vorteile von Personen, die an Kapitalgesellschaften nicht wesentlich iSd § 22 Z 2 EStG beteiligt sind, auch wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, aufgrund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung fehlt. Durch die Verweisung auf § 25 EStG in § 1 Abs 2 BPG werden diese Personen hinsichtlich der Pensionskassenregelungen zusätzlich zu den bereits in Abs 1 erfassten Arbeitnehmern partiell in den Anwendungsbereich des BPG einbezogen.

 

Der Kläger war nach dem Stand des Firmenbuchs nicht Gesellschafter, sondern Fremdgeschäftsführer der GmbH. Er galt daher - eine allfällige vertraglich bedungene Weisungsfreiheit wurde im Verfahren nicht behauptet - als Arbeitnehmer, dessen Ruhegenussansprüche aus der mit Vereinbarung vom 10. 6. 1994 begründeten Direktpensionszusage nach § 1 Abs 1 den Bestimmungen des dritten Abschnitts des BPG unterliegen.