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20.07.2011 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, inwieweit das Gericht dem Sachwalter (seit dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006) im Bereich der Personensorge Handlungsanweisungen geben darf

Für eine „Weisungsbefugnis“ des Gerichts gegenüber dem Sachwalter besteht im Rahmen der Personensorge keine Rechtsgrundlage


Schlagworte: Sachwalterschaft, Personensorge, Weisungen, Sachwalterumbestellung
Gesetze:

§ 282 ABGB, § 281 ABGB, § 278 ABGB

GZ 3 Ob 81/11z [1], 11.05.2011

 

OGH: Nach der Zielvorgabe des § 281 Abs 1 ABGB hat der Sachwalter danach zu trachten, dass die behinderte Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. Allerdings bedarf es im Einzelfall einer Interessenabwägung zwischen dem „objektiven“ und dem subjektiven Interesse. Insoweit wird bei einer älteren Person grundsätzlich dem psychischen Wohlbefinden (Lebensfreude und Lebensqualität) größere Bedeutung zuzumessen sein als der Vermögenssicherung und Vermögensvermehrung.

 

Eine Verletzung der Vorgaben des § 281 Abs 1 ABGB durch den Sachwalter könnte jedenfalls Grund für einen Wechsel in der Person des Sachwalters gem § 278 Abs 1 ABGB sein.

 

Fraglich ist, ob das Gericht dem Sachwalter im Bereich der Personensorge auch direkte Handlungsanweisungen geben kann. Die ältere Rsp - bis zum Inkrafttreten des SWRÄG 2006 - hat diese Möglichkeit zumindest in Bezug auf allgemeine Weisungen bejaht.

 

Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 (SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92) verfolgt nun ein anderes Konzept: Die Tätigkeit des Sachwalters unterliegt gerichtlicher Überwachung; widerspricht sie dem Wohl der betroffenen Person, hat das Gericht jemand anderen mit der Sachwalterschaft zu betrauen. Für eine „Weisungsbefugnis“ des Gerichts gegenüber dem Sachwalter besteht im Rahmen der Personensorge keine Rechtsgrundlage.

 

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert. Die Voraussetzungen  dafür liegen nicht vor. Das Rekursgericht, das sich eingehend mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt hat, hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der persönliche Kontakt der betroffenen Person mit I keineswegs gänzlich unterbunden wird. Während der beabsichtigten Ausflüge war eine qualifizierte, medizinisch und fachlich geschulte Pflege und Betreuung notwendig, weshalb nicht zu vernachlässigende Aspekte gegen eine unbeaufsichtigte Betreuung durch I bestanden. Insoweit ist dem Aspekt der Aufrechterhaltung der Gesundheit gegenüber jenem der Lebensfreude der Vorrang zu geben.