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20.07.2011 Zivilrecht

OGH: § 364 Abs 2 ABGB - zur Frage, ob ein in einem Wohngebiet betriebener Fußballplatz, der mit einem Gitter umzäunt ist, eine das ortsübliche und zumutbare Maß übersteigende Lärmentwicklung auslöst

Der beeinträchtigte Grundnachbar muss im Allgemeinen eine durch die normalerweise voraussehbare Entwicklung begründete Zunahme der Einwirkungen hinnehmen, nicht aber eine schlagartige Verstärkung; es muss als vorhersehbar angesehen werden, dass ein zunächst provisorisch eingerichteter Fußballplatz nach und nach durch Errichtung von Toren und in der Folge durch Errichtung von Abgrenzungen zum Schutz vorbeigehender Fußgänger ausgebaut und dadurch eine allmählich verstärkte Frequentierung bewirkt wird


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Lärmeinwirkungen, Fußballplatz, voraussehbare Entwicklung
Gesetze:

§ 364 Abs 2 ABGB

GZ 6 Ob 105/11a [1], 16.06.2011

 

OGH: Fragen der Ortsüblichkeit betreffen regelmäßig den Einzelfall.

 

Lärmeinwirkungen sind mittelbare Immissionen, die nur soweit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen, untersagt werden können. Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigenden Grundstücks abhängig ist.

 

Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet. Maßgebend sind die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu dem, von dem die Störung ausgeht, und die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. Für die Ortsüblichkeit und deren Intensität können auch Ö-Normen als Anhaltspunkt dienen. In der Regel hängt die Ortsüblichkeit von Immissionen in dem zu betrachtenden Raum davon ab, ob schon eine größere Anzahl von Grundstücken dieses Gebiets so genutzt wird, dass Einwirkungen von ihnen ausgehen, die den zu beurteilenden Immissionen entsprechen. Flächenwidmungsplänen kommt daher nur Indizfunktion für die in dem betreffenden Raum bestehenden Verhältnisse sowohl in Bezug auf Art und Ausmaß üblicher Immissionen als auch der Grundstücksnutzung zu. Der beeinträchtigte Grundnachbar muss im Allgemeinen eine durch die normalerweise voraussehbare Entwicklung begründete Zunahme der Einwirkungen hinnehmen, nicht aber eine schlagartige Verstärkung.

 

Neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung und ihrer Störungseignung sind auch das Herkommen und das öffentliche Interesse wesentlich. Allerdings kann das öffentliche Interesse dann nicht anerkannt werden, wenn die Beeinträchtigung nicht notwendig mit dem Betrieb der Anlage verbunden ist, sondern durch Schutzeinrichtungen abgestellt oder doch auf ein tragbares Maß vermindert werden kann und wenn keine ausreichende Notwendigkeit gegeben ist, die Anlage an einem Ort zu betreiben, an dem sie eine Beeinträchtigung über das nach den dort gegebenen Verhältnissen gewöhnliche Maß hinaus bewirkt.

 

Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen und den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist in der Auffassung der Vorinstanzen, dass die vom Fußballplatz ausgehenden Geräusche als ortsüblich anzusehen sind, keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits seit den 1950er Jahren auf der betreffenden Fläche Fußball gespielt wird, sodass hinsichtlich der dadurch entstehenden Geräusche, insbesondere der Schreie der Spieler, wodurch ebenfalls Pegelspitzen von bis zu 57 dB auftreten, bereits von Ortsüblichkeit auszugehen ist. Außerdem muss es iSd zitierten Rsp als vorhersehbar angesehen werden, dass ein zunächst provisorisch eingerichteter Fußballplatz nach und nach durch Errichtung von Toren und in der Folge durch Errichtung von Abgrenzungen zum Schutz vorbeigehender Fußgänger ausgebaut und dadurch eine allmählich verstärkte Frequentierung bewirkt wird. Was das von den klagenden Parteien monierte Fehlen von Zwischenplättchen anlangt, ist auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu verweisen, wonach nicht prognostiziert werden könne, ob eine Erneuerung eine merkbare Geräuschverringerung brächte.

 

Entgegen der Auffassung der Revisionswerber steht die Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung 5 Ob 65/03z. In dieser Entscheidung hat der OGH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die von einem Tennisplatz ausgehenden Störungen nicht mit Störungen vergleichen lassen, wie sie mit der Ausübung anderer Sportarten einhergehen. Dabei verwies der OGH ausdrücklich auf vom Tennisplatz aufgewirbelten Sand. Aus dieser Entscheidung ist daher schon mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts für den vorliegenden Fall nichts abzuleiten.