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10.08.2011 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob im Fall einer gem § 25 AußStrG erfolgten Unterbrechung des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens bei Verweigerung der Stellung eines Fortsetzungsantrags nach rechtskräftigem Abschluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens weiterhin die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 4 2. Satz UVG gegeben sind

Der in § 20 Abs 1 Z 4 lit c UVG geregelte Einstellungsgrund der Rücknahme des Unterhaltsfestsetzungsantrags ist analog auch auf den Fall anzuwenden, dass das Kind bzw dessen Vertreter nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung der Abstammung die Stellung eines Fortsetzungsantrags im unterbrochenen Unterhaltsfestsetzungsverfahren zu dem Zweck unterlässt, um weiterhin Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG zu beziehen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsvorschuss, Unterbrechung des Verfahrens, rechtskräftiger Abschluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens, Verweigerung der Stellung eines Fortsetzungsantrags, Einstellung der Vorschüsse
Gesetze:

§ 4 Z 4 UVG, § 20 UVG

GZ 10 Ob 43/11p [1], 31.05.2011

 

Das Erstgericht forderte den durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Minderjährigen auf, das unterbrochene Unterhaltsverfahren fortzusetzen. Der Minderjährige bzw dessen Vertreter teilte mit, keinen Fortsetzungsantrag zu stellen. Als Begründung wird ausgeführt, dass nach der Rsp Unterhaltsvorschüsse gem § 4 Z 4 UVG auch nach rechtskräftiger Beendigung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des damit verbundenen Unterhaltsverfahrens zu gewähren seien.

 

OGH: Nach § 4 Z 4 UVG sind Vorschüsse zu gewähren, wenn die Abstammung eines Kindes in erster Instanz festgestellt und ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung bereits eingebracht worden oder für den Fall der Feststellung der Abstammung des Kindes ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden ist. Derartige Vorschüsse sind in Richtsatzhöhe zu erbringen (begrenzt durch die im Unterhaltsantrag oder im gerichtlichen Unterhaltsvergleich festgelegte Höhe - § 5 Abs 4 UVG). Sie dürfen nur „bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zur Feststellung der Abstammung des Kindes gewährt werden“ (§ 8 2. Satz UVG). Diese Wortfolge wurde aber von der Rsp zur Vermeidung einer Schutzlücke über ihren Wortlaut hinaus dahin verstanden, dass damit das gesamte in § 4 Z 4 UVG umschriebene Verfahren gemeint ist, nämlich das Verfahren über die Klage auf Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und das damit verbundene Unterhaltsbegehren. Diese Rsp ist auch nach den Novellierungen durch das AußStr-BegleitG und das FamRÄG 2009 und der sich daraus ergebenden zunehmenden gesetzlichen Verbesserung der Rechtsstellung des Kindes fortzuschreiben. Ist also das Verfahren über die Feststellung der Abstammung des Kindes bereits rechtskräftig beendet, nicht aber das (bis dahin unterbrochene) Unterhaltsverfahren, gebühren grundsätzlich weiterhin Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG.

 

Das UVG ist ganz allgemein von dem Grundsatz beherrscht, dass die Vorschussleistung aus öffentlichen Mitteln an die Stelle der vom Unterhaltspflichtigen geschuldeten, wenn auch betraglich noch nicht festgesetzten Leistung zu treten hat. Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nur ein letztes Mittel zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder sein. Der Unterhaltsberechtigte (sein Vertreter) soll deshalb grundsätzlich zuerst die nach geltendem Recht bestehenden Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs ausschöpfen. Dieser Grundsatz gilt auch für sog „Richtsatzvorschüsse“. Zwar haben die Bestimmungen des UVG den Zweck, einem Pflegebefohlenen möglichst rasch zu seinem Unterhalt zu verhelfen. Unterhaltsansprüche sollen daher unter Vermeidung unnötigen Verwaltungs- und Prüfaufwands rasch und unbürokratisch befriedigt werden. Das kann aber nicht dazu führen, dass der Versuch einer Unterhaltsfestsetzung überhaupt unterbleiben kann, obwohl keine konkreten Bedenken bestehen, dass in absehbarer und zumutbarer Zeit ein entsprechender Titel geschaffen werden könnte. Wenngleich das UVG aus sozialpolitischen Erwägungen geschaffen worden ist, handelt es sich bei den Vorschüssen um keine Sozialleistung des Staates, sondern um die vorläufige Erfüllung der Unterhaltspflicht durch einen Dritten.

 

In diesem Sinn wurde zum Unterhaltsvorschussbezug nach § 4 Z 2 UVG (Aussichtslosigkeit der Titelschaffung oder Erhöhung) bereits ausgesprochen, dass ein Fortbezug von Leistungen nach dem UVG trotz Unterbleibens zumutbarer Bemühungen um die Schaffung eines Exekutionstitels gegen den Unterhaltsschuldner Rechtsmissbrauch bedeutet, der auch von Amts wegen aufzugreifen ist und die Weitergewährung hindert. Der Unterhaltsberechtigte hat das für eine Unterhaltsfestsetzung oder Unterhaltserhöhung Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen, dies selbst dann, wenn die Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners ungewiss sind, sein Aufenthalt unbekannt ist und deshalb eine Kuratorbestellung notwendig ist. Bestünde keine Pflicht des Kindes, sich um eine Titelschaffung zu bemühen, könnte es möglicherweise in relativ einfacher Weise Richtsatzvorschüsse erhalten, die potentielle Titelvorschüsse übersteigen.

 

Im Sinne dieser Erwägungen kann sich im vorliegenden Fall der Kläger die Voraussetzungen des § 4 Z 4 UVG für die Gewährung der Richtsatzvorschüsse nicht dadurch erhalten, dass er nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren über die Feststellung der Abstammung einen Fortsetzungsantrag lediglich aus dem Grund unterlässt, um weiterhin in den Genuss des Bezugs von Richtsatzvorschüssen nach § 4 Z 4 UVG zu kommen. Aufgrund der Subsidiarität der Vorschussgewährung gegenüber der Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen sind er und sein Vertreter zur Verhinderung rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme der Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG nicht von der Verpflichtung enthoben, die Feststellung der aktuellen Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners zu versuchen.

 

Dieser Versuch der Unterhaltsfestsetzung könnte nur dann unterbleiben, wenn er bei objektiver Voraussicht von vornherein nach der Aktenlage praktisch aussichtslos ist. In erster Instanz hat der Minderjährige die Aussichtslosigkeit der Titelschaffung aber nicht behauptet.

 

Die Vorschusseinstellungsgründe sind in § 20 Abs 1 UVG erschöpfend aufgezählt. Ein Versagungs- oder Einstellungsgrund für den Fall, dass sich der Unterhaltsberechtigte nicht intensiv um die Schaffung eines Unterhaltstitels bemüht, ist nicht normiert. Auch ein - in Betracht kommender - Einstellungsgrund nach § 20 Abs 1 Z 4 lit c UVG ist nicht vorgelegen. Nach dem Akteninhalt hat der Kläger seinen Unterhaltsfestsetzungsantrag weder zurückgezogen, noch liegt ein für den Fall der Feststellung der Abstammung abgeschlossener Unterhaltsvergleich vor, der seine Wirksamkeit verloren hat.

 

Im Fall einer planwidrigen Gesetzeslücke ist eine Ausdehnung der Einstellungsgründe nach § 20 Abs 1 Z 4 lit c UVG durch Analogie aber nicht ausgeschlossen. Gemessen an der Absicht des Gesetzgebers erweisen sich im Hinblick auf den vorliegenden Fall die im UVG enthaltenen Einstellungsgründe als unvollständig:

 

Wie sich aus § 20 Abs 1 Z 4 lit c UVG ergibt, erachtete der Gesetzgeber die Weitergewährung von Richtsatzvorschüssen nach § 4 Z 4 UVG dann als nicht gerechtfertigt, wenn ein Zusammenhang mit der bestehenden Unterhaltspflicht gelöst ist, so wenn das Kind den Unterhaltsfestsetzungsantrag zurückgezogen hat oder ein Unterhaltsvergleich unwirksam geworden ist. Eine der Rücknahme des Unterhaltsantrags vergleichbare Situation ist aber auch dann gegeben, wenn das Unterhaltsverfahren nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung der Abstammung allein deshalb unerledigt bleibt, weil das Kind einen Fortsetzungsantrag unterlässt, um weiterhin in den Genuss der Richtsatzvorschüsse zu kommen. Auch in diesem Fall ist der Zusammenhang mit einer bestehenden Unterhaltspflicht - gleichermaßen wie in den vom Gesetzgeber in § 20 Abs 1 Z 4 lit c explizit genannten Fällen - gelöst. Da der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen übereinstimmen, ist der in § 20 Abs 1 Z 4 lit c UVG geregelte Einstellungsgrund der Rücknahme des Unterhaltsfestsetzungsantrags analog auch auf den Fall anzuwenden, dass das Kind bzw dessen Vertreter nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung der Abstammung die Stellung eines Fortsetzungsantrags im unterbrochenen Unterhaltsfestsetzungsverfahren zu dem Zweck unterlässt, um weiterhin Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG zu beziehen.