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24.08.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Ausbildungskostenrückersatz gem § 2d AVRAG – Zulässigkeit einer jährlichen Aliquotierung?

Eine Ausbildungskostenrückersatzklausel, die eine jährliche Aliquotierung vorsieht, ist grundsätzlich zulässig


Schlagworte: Arbeitsvertragsrecht, Ausbildungskostenrückersatz, jährliche Aliquotierung
Gesetze:

§ 2d AVRAG

GZ 9 ObA 74/11i [1], 28.06.2011

 

OGH: § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG normiert, dass die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung aliquot bis zum Ende der zulässigen Bindungsdauer zu vereinbaren ist. Die Aliquotierung ist linear zu verstehen, weshalb der Gesamtbetrag der rückzuerstattenden Ausbildungskosten entsprechend der verstrichenen Zeitperiode um gleiche Beträge zu vermindern ist.

 

§ 2d Abs 3 Z 3 AVRAG schreibt nicht vor, nach welchen bestimmten Zeiträumen (zB Tage, Monate, Jahre) die Aliquotierung zu erfolgen hat. In den Materialien hielt der Gesetzgeber dazu fest, dass in der Rückzahlungsvereinbarung für die Dauer der Bindung die Höhe des jeweiligen Rückzahlungsbetrags festzulegen ist. Er führt wörtlich aus: „möglich wäre etwa die Vereinbarung, dass sich der Rückzahlungsbetrag anteilig für jedes im Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Ausbildung zurückgelegte Monat anteilig verringert. Günstigere Vereinbarungen, etwa die Vereinbarung einer vorzeitigen Reduktion der Rückzahlungspflicht, sind zulässig“.

 

Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass Rückersatzklauseln, die überhaupt keine Aliquotierung vorsehen, als zur Gänze unwirksam einzustufen sind, um die Vereinbarung solcher besonders mobilitätshemmender Klauseln möglichst zu verhindern.

 

Jenen Lehrmeinungen, die eine jährliche Aliquotierung für unzulässig halten, ist va entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber selbst eine diesbezügliche Einschränkung nicht in den Gesetzestext aufgenommen hat. Dies ist umso beachtlicher, als die gesamte Bestimmung des § 2d AVRAG die Zulässigkeit von Ausbildungskostenrückersatzklauseln sehr genau normiert. Dass dies unzweifelhaft bewusst geschah, ergibt sich gerade aus den Erläuterungen, wonach der Gesetzgeber an die Möglichkeit unterschiedlicher Ausgestaltungen der zeitlichen Aliquotierung (etwa nach Monaten) ausdrücklich gedacht, dennoch aber eine nähere Regelung nicht in den Gesetzestext aufgenommen hat. Der Gesetzgeber gewährt daher für diesen Bereich ein gewisses Maß an Vertragsfreiheit. Schon daher ist die Behauptung der Rekurswerberin, dass die Erwähnung der monatlichen Aliquotierung in den Materialien darauf schließen ließe, dass nur eine solche dem Willen des Gesetzgebers entspreche, nicht zutreffend.

 

Aber auch aus der Entscheidung des Gesetzgebers in § 19 Abs 1 Z 18 Satz 2 AVRAG, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung über den Rückersatz von Ausbildungskosten von § 2d AVRAG unberührt zu lassen, ergibt sich, dass der Gesetzgeber in Kollektivverträgen enthaltene Rückersatzregelungen für Ausbildungskosten, die eine Aliquotierung nach Jahren vorsehen, bewusst weiterhin gebilligt hat.

 

Aus dem Umstand allein, dass das Arbeitsentgelt in der Regel monatlich gezahlt wird, ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Aliquotierungsvereinbarung nichts zu gewinnen. Während die Festsetzung des Entgeltfälligkeitszeitraums engen gesetzlichen Schranken unterliegt (vgl § 15 AngG, der als Regelfall sogar zwei Zahlungen pro Monat vorsieht), kann der Entgeltbemessungszeitraum durch Arbeitsvertrag oder Kollektivvertrag zulässig für längere Zeiträume als einen Monat vereinbart werden, was sich etwa aus § 1154 Abs 2 ABGB ergibt. Das Arbeitsrecht stellt in verschiedenen Zusammenhängen - etwa für die Bemessung einer Abfertigung (§ 23 AngG) oder der Kündigungsfristen (§ 20 AngG) - auf das Jahr als Bezugszeitraum für unterschiedliche Rechtsfolgen ab.

 

Schließlich weist die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend darauf hin, dass der OGH in der Vergangenheit auch größere Zeitintervalle als ein Monat für die Aliquotierung als zulässig erachtet hat. Bereits das Berufungsgericht nannte die Entscheidung 8 ObA 36/02f. Aber auch in der erst jüngst ergangenen Entscheidung 8 ObA 18/11x, die noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 2d AVRAG erging, wurde die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine Klausel die zunächst die halbjährliche Aliquotierung der Ausbildungskosten mit 10 %, nach drei Jahren aber den Entfall des Rückersatzes vorsah, unter dem Aspekt des § 879 ABGB als nicht unvertretbar angesehen.

 

Die konkret zu beurteilende Ausbildungskostenrückersatzklausel, die eine jährliche Aliquotierung vorsieht, jedoch bereits nach drei Jahren ab Ende der Ausbildung ein völliges Erlöschen der Rückzahlungsverpflichtung, ist vor diesem Hintergrund nicht als gesetzwidrig anzusehen.