OGH > Zivilrecht
31.08.2011 Zivilrecht

OGH: Mietzinsminderung ge § 1096 ABGB (hier: iZm veralteten elektrischen Anlage)

Nicht einzustehen hat der Bestandgeber für solche Mängel, die objektiv zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung führen; hingegen grundsätzlich sehr wohl für Mängel, die zwar - mangels Kenntnis des Bestandnehmers - von diesem subjektiv nicht wahrgenommen wurden, aber an sich gebrauchsbeeinträchtigend sind


Schlagworte: Bestandrecht, Mietzinsminderung, veraltete elektrische Anlage
Gesetze:

§ 1096 ABGB

GZ 8 Ob 90/10h [1], 15.07.2011

 

OGH: Nach § 1096 Abs 1 ABGB steht eine Mietzinsminderung für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit zu, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht (mehr) taugt. Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein. § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist eine Vorschrift des Gewährleistungsrechts, die unabhängig von den Fristen des § 933 ABGB geltend gemacht werden kann und ex lege ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung besteht. Ihre Anwendung setzt daher nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die tatsächlich erbrachte von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht.

 

Die Klägerin führt in der Revisionsbeantwortung aus, dass nach der erst kürzlich ergangenen Entscheidung 6 Ob 38/11y die Geltendmachung eines Mietzinsminderungsanspruchs eine Anzeige iSd § 1097 ABGB voraussetze. Dieser Aspekt der Entscheidung traf allerdings in der Lehre auf Kritik. Eine nähere Auseinandersetzung damit kann im vorliegenden Fall unterbleiben.

 

Maßstab für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, ist der Zweck des Mietvertrags. Es ist - nach allgemeinen Grundsätzen des Gewährleistungsrechts - daher zu fragen, ob die erbrachte Leistung objektiv von der vertraglich geschuldeten abweicht. Das subjektive Empfinden des Bestandnehmers ist hingegen entsprechend dem Ziel des Gewährleistungsrechts, die gestörte Äquivalenz wieder herzustellen, bedeutungslos. Entgegen der Ansicht von Prader/Pittl muss daher der fehlende bedungene Gebrauch nicht zwingend auch merkbar sein. Dies zeigt sich gerade im vorliegenden Fall deutlich: Auch eine bisher unentdeckt gebliebene, objektiv aber dennoch gefährliche Benutzung der Wohnung kann zweifellos nicht der bedungenen vertraglichen Leistung (dem Zweck des Mietvertrags) entsprechen. Aus dem Umstand allein, dass der Beklagte nach den Feststellungen in der Nutzung der Wohnung durch die veraltete elektrische Anlage nicht (merkbar) beeinträchtigt war, ergibt sich daher noch nicht die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung, dass eine Mietzinsminderung schon aus diesem Grund ausscheide. Nicht einzustehen hat der Bestandgeber für solche Mängel, die objektiv zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung führen; hingegen grundsätzlich sehr wohl für Mängel, die zwar - mangels Kenntnis des Bestandnehmers - von diesem subjektiv nicht wahrgenommen wurden, aber an sich gebrauchsbeeinträchtigend sind (zB dem Mieter unbekannte, gesundheitsgefährdende Bleikonzentration im Trinkwasser). Die generelle Aussage, eine „gefährliche Elektroanlage“, die für den Mieter mangels Kenntnis vom Mangel „subjektiv nicht gespürt“ wurde, bewirke keine Zinsminderung ist daher unzutreffend. Allerdings ist auf Tatsachenebene die „Gefährlichkeit“ alter Elektroanlagen, die bekanntermaßen in Altbauwohnungen nach wie vor häufig anzutreffen sind, streng zu hinterfragen. Das Ausmaß einer dafür allenfalls zuzuerkennenden Zinsminderung hängt davon ab, inwiefern der Gebrauch, wäre die Mangelhaftigkeit bekannt gewesen, tatsächlich beeinträchtigt gewesen wäre. Liegt daher etwa die Gebrauchsbeeinträchtigung nur darin, dass in Nassräumen keine Elektrogeräte (zB Föhn) verwendet werden dürfen bzw bestimmte Stromverbraucher (zB Metalllampen) ungeeignet sind, wirkt sich diese Beeinträchtigung angesichts der Tatsache, dass ein Mieter das Objekt mit einer erkennbar alten Anlage mietete, uU überhaupt nicht zinsmindernd aus.

 

Wie ausgeführt, ist für die Beurteilung des Ausmaßes einer allenfalls zustehenden Mietzinsminderung zu fragen, inwiefern der Gebrauch der Wohnung beeinträchtigt gewesen wäre, wäre dem Beklagten die Mangelhaftigkeit bekannt gewesen. So wurde etwa im Fall bleihältigen Trinkwassers ausgesprochen, dass sich das Ausmaß der Mietzinsminderung vermindern kann, wenn die Möglichkeit besteht, das Wasser vor der Entnahme eine Zeit lang laufen zu lassen, falls dadurch eine Reduktion des Bleigehalts auf ein die Gesundheit nicht gefährdendes Ausmaß sichergestellt werden kann (9 Ob 34/04x). Ähnlich kann aber auch argumentiert werden, wenn sich die mit einer veralteten elektrischen Anlage verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung mit relativ einfachen Maßnahmen ausgleichen lässt.

 

Schon aus den oben angestellten Überlegungen ergibt sich, dass auch dem Umstand Bedeutung zukommen kann, ob bzw in welchem Umfang dem Beklagten die Mängel der elektrischen Anlage bereits bei Abschluss des Mietvertrags bekannt waren.

 

Die Mietzinsminderung tritt dann nicht ein, wenn dem Mieter die (objektiven) Mängel des Mietgegenstands bei Vertragsabschluss bekannt waren und er den Vertrag dennoch geschlossen hat.

 

Sollte sich herausstellen, dass ein Mietzinsrückstand besteht, wird ferner zu prüfen sein, ob den Beklagten ein grobes Verschulden an einem solchen Rückstand trifft. Dazu kann mangels ausreichender Tatsachengrundlage derzeit noch nicht abschließend Stellung genommen werden, wenngleich es nur schwer vorstellbar ist, dass ein Bestandnehmer, der - so die bisherigen Feststellungen - eine Wohnung jahrelang ohne jegliche merkbare Beeinträchtigung nutzen kann, wirklich der Meinung sein darf, er brauche jahrelang überhaupt keinen Mietzins zahlen.

 

Auf das von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung erstattete Vorbringen, dass der Beklagte vor Inkrafttreten der Wohnrechtsnovelle 2006 selbst verpflichtet gewesen wäre, allfällige seine Sicherheit gefährdende Mängel zu beheben, weil diese nicht in die Erhaltungspflicht des Vermieters fielen, kommt es zur Beurteilung des Mietzinsminderungsanspruchs nicht an. Das Mietverhältnis der Streitteile fällt, wie sich aus der Vorentscheidung des erkennenden Senats in diesem Verfahren 8 Ob 100/05x ergibt, mit den in § 45 Abs 5 MRG idF des 3. WÄG genannten Ausnahmen in den Vollanwendungsbereich des MRG. § 1096 ABGB blieb bereits durch § 3 Abs 1 letzter Satz MRG idF vor der WRN 2006 ausdrücklich unberührt. Auch bei fehlender Erhaltungspflicht im Anwendungsbereich des § 3 MRG bleibt die Mietzinsminderung bei Gebrauchsbeeinträchtigung aufrecht; dies gilt auch in Fällen, in denen weder den Vermieter noch den Mieter eine Erhaltungspflicht trifft. Dass die Erhaltungspflicht vertraglich auf den Beklagten überwälzt worden wäre, wurde nicht einmal behauptet.