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07.09.2011 Zivilrecht

OGH: Haftung des Werkunternehmers iZm Problemen beim Öffnen von via Email zugesandter Pläne auf Grund mangelnder Kompatibilität

Vermittelt das Erscheinungsbild des Plans an der Empfangsstelle nach dem Öffnen dem Fachmann das Bild einer unklaren und regelwidrigen Situation, stellt dies eine „offenbare Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs“ iSd § 1168a ABGB dar


Schlagworte: Werkvertrag, Warnpflicht, Schadenersatzrecht, Haftung, via Email zugesandte Pläne, mangelnde Kompatibilität
Gesetze:

§ 1168a ABGB, §§ 1295 ff ABGB

GZ 2 Ob 185/10k [1], 14.07.2011

 

Die Klägerin hat bei der Beklagten mehrere Hebebühnen für Kraftfahrzeuge bestellt. Vereinbart wurde, dass die Beklagte die vom Nebenintervenienten, einem Architekten, erstellten Pläne hinsichtlich der korrekten Positionierung der Hebebühnen kontrolliert und einen allfälligen Änderungsbedarf einzeichnet.

 

Am 25. 5. 2004 erhielt Ing S, ein Beschäftigter bei der Beklagten, ein Email vom Nebenintervenienten wie folgt: „In der Beilage übersende ich Ihnen Einreichpläne Kellergeschoss, Schnitte laut Besprechung vom 22. 4. 2004 als DWG zu Ihrer Verwendung und mit der Bitte um Bauangaben.“ Diesem Email war als Anhang ein vom Nebenintervenienten erstellter Grundrissplan angeschlossen.

 

Es kommt bei einem solchen Versenden von Plänen als Email-Anhang allerdings fallweise dazu, dass Abweichungen zwischen der Planansicht, wie sie am Bildschirm des Absenders erkennbar ist, und jener, wie sie dann nach Durchlauf durch das Sender- und Empfänger-EDV-System erkennbar wird, vorliegen. Nachdem das Codierungsprogramm des Nebenintervenienten und das Öffnungsprogramm der Beklagten eingeschaltet waren, kam für die Arbeit der Beklagten ein Plan zustande, der vom ursprünglichen Plan abwich.

 

Diese Abweichung der Planeigenschaften zwischen der Sendestelle und der Empfangsstelle kam dadurch zustande, dass die verwendeten Email-Programme für diesen Bereich nicht völlig kompatibel waren.

 

OGH: Vom Werkbesteller dem Werkunternehmer zur Verfügung gestellte Pläne sind ein „Stoff“ iSd § 1168a ABGB.

 

Nach den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen musste das Erscheinungsbild des Plans an der Empfangsstelle der Beklagten nach dem Öffnen dem Fachmann das Bild einer unklaren und regelwidrigen Situation vermitteln; aus bautechnischer Sicht wäre die Anforderung an einen Empfänger gewesen, beim Einlangen solcher Pläne mit dem Absender Rücksprache zu halten.

 

Wenn es die Beklagte als Lieferantin von Hebebühnen übernommen hat, in übermittelte Pläne Einzeichnungen über deren Positionierung vorzunehmen, so ist sie insoweit als Fachmann und somit als Sachverständiger iSd § 1299 ABGB anzusehen, als sie damit zu erkennen gegeben hat, zu diesen Einzeichnungen fähig zu sein. Dies setzt aber voraus, den übermittelten Plan richtig deuten zu können, also auch die Regeln der Planzeichnung zu kennen.

 

Nach den zitierten Feststellungen hätte somit der Beklagten als Werkunternehmerin die unklare und regelwidrige Situation der übermittelten Pläne als „offenbare Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs“ auffallen müssen. Sie hätte daher gem § 1168a letzter Satz ABGB die Klägerin als Werkbestellerin (bzw den Nebenintervenienten) warnen müssen.

 

Dies hat sie nicht getan, weshalb sie entsprechend der zitierten Bestimmung für den entstandenen Schaden grundsätzlich haftbar ist.

 

Hauptursächlich für den eingetretenen Schaden (Aufwand für die Versetzung der Fundamentwannen) war, dass die verwendeten CAD-Programme und Dateiformat-Versionen nicht völlig kompatibel waren, wodurch der Plan bei der Beklagten teilweise anders aussah als der vom Nebenintervenienten erstellte. Aus den Feststellungen ergibt sich auch hinreichend deutlich, dass solche Kompatibilitätsprobleme in der (Bau-)Branche bekannt sind.

 

Es mag zwar im Bauwesen weithin üblich sein, auf die Abstimmung der Modalitäten der verwendeten Programme und Dateiformatversionen zu verzichten. Es ist aber von zusammenarbeitenden Unternehmern im Bauwesen (Professionisten, Architekten, Baumeistern etc), die in aller Regel Sachverständige iSd § 1299 ABGB sind, zu verlangen, daraus resultierenden Schäden vorzubeugen, sodass die dargestellten Kompatibilitätsprobleme tunlichst erst gar nicht auftreten. Dies kann entweder durch die Abstimmung der Modalitäten der verwendeten Programme und Dateiformatversionen vor jeglicher Planübermittlung geschehen oder wenigstens dadurch, dass der Absender eines Plans dem Empfänger gleichzeitig die verwendeten Programme und Dateiformatversionen bekannt gibt. Auf diese Weise kann der Empfänger überprüfen, ob er dieselben Programme und Dateiformatversionen benützt und ist, falls das nicht der Fall ist, gewarnt, dass er mit Veränderungen des Erscheinungsbilds eines Plans rechnen muss. Dass derartige Darstellungsfehler angeblich eher selten auftreten, ändert an der gebotenen Sorgfalt nichts, zumal Planabweichungen im Bauwesen durchaus auch noch gravierendere Auswirkungen haben können als hier.

 

Im vorliegenden Fall hat der Nebenintervenient also trotz Kenntnis der Problematik keine für die authentische Darstellung der von ihm ausgearbeiteten Pläne beim Empfänger ausreichenden Informationen bereitgestellt. Somit fällt auch ihm ein Verschulden zur Last. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts wiegt aber das Verschulden der Beklagten deutlich schwerer, sodass das Verschulden des Nebenintervenienten diesmal vernachlässigt werden kann; ihm ist auch zugute zu halten, dass er sich an der bisherigen Branchenpraxis orientiert hat.

 

Damit kann es auf sich beruhen, ob dieses Mitverschulden des Nebenintervenienten der Klägerin überhaupt zuzurechnen wäre.

 

Soweit sich die Beklagte auf ihren Hinweis im Email vom 4. 6. 2004 („Diese Nachricht ist für [Beklagte] rechtsunverbindlich“) bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie eingegangene vertragliche Verpflichtungen (nämlich Bauangaben bzw Planeinzeichnungen zu machen) nachträglich nicht durch einseitige, vom Vertragspartner nicht akzeptierte Erklärungen zu ihren Gunsten verändern kann.