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14.09.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Dienstgeberhaftungsprivileg gem § 333 ASVG - Entfall des Haftungsprivilegs nach Abs 3 iZm Verletzung der Versicherungspflicht durch den Dienstgeber

Voraussetzung für den Entfall des Haftungsprivilegs ist, dass für das Fahrzeug aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht, deren Versicherung vom Dienstgeber vorsätzlich vereitelt wurde


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Dienstgeberhaftungsprivileg,, Entfall des Haftungsprivilegs, Verletzung der Versicherungspflicht durch den Dienstgeber, Verschulden
Gesetze:

§ 333 ASVG

GZ 9 ObA 48/11s [1], 28.06.2011

 

OGH: Gem § 333 Abs 3 ASVG ist das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Der Dienstgeber haftet nur bis zur Höhe der aus seiner bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme, es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstgeber vorsätzlich verursacht worden ist.

 

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den bisherigen Haftungsausschluss der kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen gem § 175 ASVG, insbesondere Verkehrsunfällen, die ein Arbeitnehmer in einem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Fahrzeug des Arbeitgebers erleidet, beseitigen. Von der Ausnahmeregelung sind daher sämtliche durch einen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer gedeckte Personenschäden umfasst. Der Entfall des Haftungsprivilegs nach § 333 Abs 3 ASVG stellt - trotz des weitergehenden Wortlauts - ausschließlich auf die obligatorische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ab, sodass eine Betriebshaftpflichtversicherung von vornherein ungeeignet ist, die in der zitierten Bestimmung normierte Ausnahme von der Haftungsprivilegierung des Dienstgebers zu begründen.

 

Dem Willen des Gesetzgebers zufolge soll das Haftungsprivileg des Dienstgebers nur dann entfallen, wenn der wirtschaftliche Schaden von einer Versicherung gedeckt wird, zu deren Abschluss der Dienstgeber ohnedies verpflichtet ist, sodass er im Ergebnis durch die Aufhebung des Haftungsprivilegs nicht belastet wird. Neben dem Bestehen einer Versicherungspflicht ist es daher erforderlich, dass der zu ersetzende Schaden auch durch eine tatsächlich abgeschlossene und aufrechte Versicherung gedeckt ist, sohin eine Versicherungssumme aus einer bestehenden Pflichthaftpflichtversicherung zur Verfügung steht.

 

Diese grundsätzlichen Überlegungen wurden aber in der Entscheidung 2 Ob 316/97b im Falle eines durch einen Radlader verursachten Unfalls dahin erweitert, dass es, sollte trotz Bestehens einer Versicherungspflicht gem § 59 Abs 1 KFG eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen worden sein, in Betracht komme, den Dienstgeber aus dem Titel der Fürsorgepflichtverletzung mit jenem Betrag haften zu lassen, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Versicherungspflicht zur Verfügung gestanden wäre.

 

Zum - in der Rsp bisher nicht näher hinterfragten - Grad des Verschuldens an einer Verletzung der Versicherungspflicht durch den Dienstgeber wurde in der Literatur zT vertreten, dass eine solche Haftung des Dienstgebers dann naheliege, wenn die Versicherungsdeckung infolge Nachlässigkeit des Dienstgebers fehle.

 

Demgegenüber weist Vonkilch darauf hin, dass in diesem Zusammenhang eine Durchbrechung des Arbeitgeberprivilegs nur dann gelten könne, wenn die Leistungspflicht des Versicherers vom Arbeitgeber vorsätzlich vereitelt worden sei.

 

Der Ansicht Vonkilchs ist zu folgen, weil - wie er zutreffend ausführt - die Annahme einer Haftung des Arbeitgebers auch bei bloß fahrlässig herbeigeführtem Verlust des Versicherungsschutzes in unüberbrückbarem Widerspruch zur Wertung des § 333 Abs 1 ASVG stünde, dass selbst ein grob fahrlässig schädigender Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer das Haftungsprivileg nicht verliert.