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20.09.2011 Zivilrecht

OGH: Nachbarrechtlicher Anspruch nach § 364 Abs 2 und 3 ABGB iZm Selbsthilferecht gem § 422 ABGB (hier: iZm Nadel- und Laubablagerungen)

Ein Immissionsabwehranspruch nach § 364 Abs 2 oder 3 ABGB ist durch das Recht der Selbsthilfe nach § 422 ABGB jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt werden kann; Laub und Nadeln sind keine grobkörperlichen Einwirkungen wie etwa Tennisbälle oder Erdmassen, die nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB unabhängig von ihrer Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit untersagt werden können


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Nadeln, Laub, grob körperliche Immission, ortsunübliche und wesentliche Beeinträchtigung
Gesetze:

§ 364 ABGB

GZ 4 Ob 96/11p [1], 09.08.2011

 

OGH: Der OGH hat bereits in zwei Entscheidungen ausgesprochen, dass ein Immissionsabwehranspruch nach § 364 Abs 2 oder 3 ABGB durch das Recht der Selbsthilfe nach § 422 ABGB jedenfalls dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt werden kann (4 Ob 196/07p; 6 Ob 85/10). Diese Entscheidungen knüpfen, abgesehen vom möglichen Einwand der leichten und einfachen Ausübung des Selbsthilferechts, an der allgemeinen Rsp zur Zulässigkeit von Immissionen iSv § 364 Abs 2 und 3 ABGB an.

 

Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage eingehend dargelegt, weswegen die hier strittigen Nadel- und Laubablagerungen auf dem Dach des Nachbarhauses keine ortsunübliche und wesentliche Beeinträchtigung iS dieser Rsp sind. Diese Beurteilung hängt von den örtlichen Gegebenheiten und damit von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung sind Laub und Nadeln keine grobkörperlichen Einwirkungen wie etwa Tennisbälle oder Erdmassen, die nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB unabhängig von ihrer Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit untersagt werden können; fallendes Laub ist keine grob körperliche Immission. Die vom Kläger zitierten Ausführungen von Holzner stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Denn dieser Autor führt nur aus, dass Tennisplatzstaub und Hobelspäne Immissionen iSv § 364 ABGB sein können; er behauptet aber nicht, dass es sich dabei um grob körperliche Einwirkungen handle. Die von ihm zitierten Entscheidungen lehnen genau diese - hier auch vom Kläger gewünschte - Einordnung ab.

 

Eine gelegentliche Reinigung der Dachrinne ist den Beklagten nach den örtlichen Verhältnissen jedenfalls zumutbar. Die abstrakte Gefahr, dass es bei einem Unterbleiben dieser Reinigung (auch) wegen der Laub- und Nadelimmissionen zu einer Verstopfung der Dachrinne und in weiterer Folge bei andauerndem Überlaufen zu Feuchtigkeitsschäden im Mauerwerk kommen könnte, ist daher kein Grund, eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung anzunehmen.