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04.10.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Abberufung von Stiftungsorganen und deren Mitgliedern gem § 27 PSG – Antragslegitimation eines Beiratsmitglieds?

Für Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern kommt nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zu; dies gilt auch für andere Organe der Stiftung


Schlagworte: Privatstiftungsrecht, Abberufung von Stiftungsorganen und deren Mitgliedern, Beiratsmitglied, Antragslegitimation
Gesetze:

§ 27 PSG, § 40 PSG, § 2 AußStrG

GZ 6 Ob 98/11x [1], 18.07.2011

 

OGH: Nach § 27 Abs 1 PSG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen, soweit die nach Gesetz oder Stiftungserklärung vorgeschriebenen Mitglieder von Stiftungsorganen fehlen, diese zu bestellen. Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen ein Mitglied eines Stiftungsorgans abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. § 27 Abs 2 PSG zählt sodann beispielhaft wichtige Gründe auf. Die Antragslegitimation ist dabei im PSG nicht gesondert geregelt. Es gelten daher die allgemeinen Grundsätze des Außerstreitverfahrens (§ 40 PSG). Demnach sind Personen antragslegitimiert, denen ein rechtliches Interesse zukommt. Die Gesetzesmaterialien führen als „Beteiligte“ an der Privatstiftung, denen ein rechtliches Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Stiftung zukomme, neben dem Begünstigten in erster Linie die Stiftungsorgane und deren Mitglieder an.

 

Der OGH hat bereits mehrfach ausgeführt, die Beteiligtenstellung hänge vom Inhalt der die Organisation der Privatstiftung festlegenden Stiftungserklärungen ab; es sei auf die konkreten Bestimmungen der Stiftungserklärung abzustellen, insbesondere darauf, ob darin dem Betreffenden subjektive Rechte eingeräumt werden, die gerade durch die dann bekämpfte Beschlussfassung beeinträchtigt werden.

 

Der erkennende Senat hat nunmehr klargestellt, dass für Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt, weil dies nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern dem Ausgleich eines bei der Privatstiftung bestehenden strukturellen Kontrolldefizits dient (6 Ob 195/10k JBl 2011, 321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi]; 6 Ob 82/11v; vgl auch 6 Ob 240/10b ZfS 2011, 28). Diese Entscheidungen betreffen zwar die Mitglieder des Stiftungsvorstands; Karollus (JBl 2011, 321 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 195/10k]) hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Überlegungen auch für andere Organe der Stiftung gelten würden, also etwa für einen Beirat mit Organqualität.

 

Dass die Beiratsmitglieder der Erstantragsgegnerin dem Einvernehmlichkeitsprinzip unterliegen, vermag angesichts des angestrebten Zwecks eines Ausgleichs bestehender struktureller Kontrolldefizite ebenso wenig die Antragslegitimation eines einzelnen Beiratsmitglieds hindern wie der Umstand, dass der Beirat selbst zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern nach der Satzung möglicherweise gar nicht berufen ist. Maßgeblich ist nämlich nicht die Fähigkeit zur (eigenmächtigen) Abberufung, sondern die Antragslegitimation nach § 27 PSG; die Abberufung hätte dann bei Vorliegen von Abberufungsgründen das Gericht vorzunehmen.

 

Das Gericht hat „Anträgen“ nicht antragslegitimierter Personen von Amts wegen nachzugehen und gegebenenfalls ein Verfahren nach § 27 PSG einzuleiten.